Die Kreuzfahrerin
Wasser absank. Sie verbrachten einige Zeit mit ihren Versuchen, dann war es Hilde, die zuerst die Geduld verlor. „Ich bin keine Fischerin“, maulte sie und zog sich auf ihren Strohsack zurück. Ursula wollte nicht so schnell aufgeben, aber irgendwann sah auch sie ein, dass sie nichts fangen würde. Sie saß noch bei einem ihrer letzten Versuche, als Peter von vorne über die Baumstämme herübergesprungen kam. Als er Ursula so mit der Schnur in der Hand dasitzen sah, musste er lachen. „Das wird nichts, Ursula“, sagte er. „Warte bis zum Abend, wenn wir Halt machen. In Ufernähe verstecken sich die Fische gerne unter unseren Stämmen, dann ist es ganz leicht. Ich zeig es dir heut Abend.“ Dann ging er weiter, richtete Bertram etwas von Gilg aus und nahm etwas Brot mit nach vorne. Ursula wickelte ihre Schnur auf und erhob sich. Sie beobachtete das Ufer. In einiger Entfernung hinter den Hügeln stieg dichter Rauch auf. Seit sie losgefahren waren, hatten sie keine Menschen gesehen. Ursula versuchte, ob sie irgendwo oberhalb des Flusses einen Weg erkennen könnte oder wenigstens das Dach eines Hauses. Aber da war nichts. Als die Sonne zu versinken begann, steuerte Gilg eine Stelle am Ufer an, wo einige Bäume ihre Äste weit über das Wasser breiteten. Als die ersten Äste dicht am Floß vorbeikamen, warf Bertram ein dickes Seil über einen dicken Ast, zog mit einem Ruck das Tau fest und schlang es um einen Pflock am Floß. Zusammen mit Lentz stemmte er sich gegen die Kraft des Flusses, und sie kamen zum Stehen.
Ursula wunderte sich. „Verbringen wir hier die Nacht?“, fragte sie Jobst.
Der nickte nur.
„Aber warum gehen wir nicht ans Ufer?“ Ursula war mit dem Nicken alleine nicht zufrieden, und die Vorstellung, auf dem Wasser zu schlafen, behagte ihr irgendwie nicht.
„Was sollen wir da?“, fragte Jobst mürrisch zurück. „Hier sind wir sicher vor Strauchdieben und Gesindel. Willst du jeden Abend alles, was wir brauchen, vom Floß ans Land schleppen und am Morgen wieder zurück? Das ist vergeudete Zeit und Mühe.“
Im stillen hatte Ursula gehofft, sie könne sich an Land etwas abseits in die Büsche schlagen. Schon seit einiger Zeit plagten sie ihre Gedärme. Doch sie hatte nicht gewusst, wo und wie sie sich erleichtern sollte. Einen Eimer, wie bei Hilde im Haus, gab es nicht, und einen der Männer zu fragen, erschien ihr einfach unmöglich. „Hilde, ich brauche einen Eimer“, jammerte sie, bei ihrer Freundin Hilfe suchend. Hilde grinste breit und frech. „Hock dich hinter das Zelt an den Rand, so dass alles ins Wasser fällt“, riet sie der Verzweifelten.
„Ich habe aber Angst, dann ins Wasser zu fallen“, wandte Ursula ein.
„Halt dich einfach an einem der Seile fest. Trau dich, es wird schon gehen. Ich bin auch nicht ins Wasser gefallen, und du hast noch nicht einmal bemerkt, dass ich mich schon längst erleichtert habe.“
Ursula wusste, es half alles nichts, sie musste es so versuchen oder es würde in Kürze alles unter sie fallen, da, wo sie gerade stand. Sie suchte sich Halt für ihre Füße, griff sich ein Seil und streckte ihren Hintern über den Rand des Stammes, auf dem sie hockte. Ängstlich sah sie sich um, doch keiner der Männer beachtete sie. Sie beschloss, es schnell hinter sich zu bringen. Es plätscherte und klatschte zweimal, dann zog sie sich hoch, und es ging ihr gleich besser. Hilde hatte unterdessen den Kessel über das Feuer gehängt. Nun schnitt sie Zwiebeln und Wurzeln hinein. Jobst brachte ihr einen Lederbeutel, in dem sich eingesalzenes Fleisch befand. Hilde holte ein paar Streifen heraus, gab sie zu dem Gemüse und füllte alles mit Wasser auf. Ursula brachte ihr noch das Säckchen mit den Linsen aus ihren eigenen Vorräten. „Das ist ein guter Gedanke, Ursula“, bedankte sich Hilde, raunte ihr aber leise zu: „Doch bewahre von unseren Vorräten alles, was nicht zu schnell verdirbt. Wer weiß, ob wir es nicht noch selber brauchen. Es war vom Kochen die Rede, nicht vom Verpflegen.“ Hilde zwinkerte ihr mit einem Auge zu. Sie gab zwei handvoll Linsen in die Suppe und gab Ursula den Sack zurück. „Bring ihn gleich zurück“, sagte sie leise, aber mit Nachdruck. Ursula tat wie ihr geheißen. Hilde hatte sicherlich recht. Die wenigen Vorräte, die sie hatten, brauchten sie nicht mit den Flößern zu teilen.
Peter kam an die Feuerstelle, und da er sah, dass es mit dem Essen noch dauern würde, kam er auf seinen Vorschlag vom Nachmittag zurück. „Komm
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