Die Kreuzfahrerin
ihnen gleich, und nachdem sie alles im Kasten des Karren verstaut hatten, deckten sie ihre Sachen mit der einen Plane ab, und die andere spannten sie darüber. Bertram kam und kontrollierte die Stricke. Drei zusätzliche Seile spannte er über alles und verzurrte sie fest an den Stämmen des Floßes. Das Wetter hielt zu ihrem Glück, und so konnten sie ohne weiteres die Nacht im Freien verbringen. Nur die vielen Insekten plagten sie.
Früh am Morgen kehrten alle Flößer zurück. Kaum dass der Kahn angebunden war, lösten sie die Stricke und steuerten in die Strömung. Immer wieder schaute Ursula nach vorne, um das Tor zu entdecken, doch es dauerte noch ein paar Tage, bis sich die Ufer des Flusses immer weiter anhoben und sie schließlich die Berge vor sich erkennen konnte. Die Männer lösten das vordere Floß vom Verband und stoppten die Fahrt. Ursula konnte sehen, wie sich das andere Floß entfernte, und meinte, es würde auf einmal schneller werden. Dann konnte sie es nicht mehr sehen. Der Nachmittag war drückend und schwül. „Wir müssen zusehen, dass wir durch das Tor kommen, bevor ein Gewitter aufkommt“, sagte Jobst.
Am nächsten Morgen ließen sie sich weiter treiben. Als sie zwischen die Berge kamen, wurde das Tal immer enger, und der Fluss strömte schneller. Lentz und Bertram lösten den Verband der losen Baumstämme, zogen die Seile auf das Floß, und die Männer unternahmen alle möglichen Anstrengungen, um die Fahrt des Floßes zu verzögern. Nach und nach entschwanden die über hundert freien Baumstämme ihren Blicken. Dann gaben sie der Strömung nach und stellten sich zu dritt an das Ruder. Bertram rief Hilde und Ursula zu, sich gut an den Seilen festzuhalten. Das Tal wurde noch enger. Steil erhoben sich rechts und links die Felswände, und das Floß schoss dazwischen hindurch. Ursulas Haare flatterten im Wind, und ihr wurde angst und bang. Jobst stand vorne bei ihnen und beobachtete das Wasser. Wenn er einen Felsen, eine Untiefe oder eine gefährliche Strömung entdeckte, brüllte er Anweisungen zu den Männern am Ruder. Die Seile, die das Floß zusammenhielten, knarzten, einige Male ging ein kräftiger Ruck durch das Gefährt, und das Holz ächzte, sie schrappten über Stein, Wasser spritzte auf, und schon bald hatte niemand mehr ein Fetzchen trockenen Stoffes am Leib. Immer wilder und schneller wurde ihre Fahrt. Ursula sah nach Hilde, deren Gesicht war bleich, und auch ihr stand die Angst in den Augen. Ursula kam es wie eine Ewigkeit vor, bis ein kurzes Jubeln der Männer signalisierte, sie hatten es tatsächlich geschafft. Die letzten schlimmen Momente hatte Ursula sogar die Augen geschlossen. Jetzt sah sie, dass sie zwar immer noch recht zügig vorwärtstrieben, dass das Wasser aber ruhig war, und rechts und links von ihnen trieben einzelne Baumstämme dahin. Mit ihren Stangen zogen die Männer alles Holz, das sie erreichen konnten, zum Floß heran und vertäuten es. Am Nachmittag trafen sie auf das andere Floß. Peter, Gilg und Will hatten jeden herantreibenden Baumstamm abgefangen und zu einem neuen Floß vereinigt. Alle zusammen ließen sie sich noch etwas weiter treiben. Dann machten sie die Flöße zu beiden Seiten des Flusses fest. Jobst ruderte über den Fluss, und sie spannten ein Seil, um auch noch die letzten Baumstämme abzufangen. Zu einem neuen Verband vereint wurden die Zelte wieder auf den Plattformen errichtet, und auch den Flößern war an diesem Abend anzumerken, dass sie heilfroh waren, diese Hürde genommen zu haben.
Die folgenden Tage flossen träge dahin, so wie der Strom. Sie passierten einige Siedlungen, suchten aber keinen Kontakt zu den Leuten am Ufer. Dann trat Bertram eines Tages zu den beiden Frauen und verkündete: „Macht euch bereit. Morgen erreichen wir das Ziel eurer Reise. Die Stadt nennt sich Novae, und ich denke, ihr werdet dort ein Zugtier für euren Karren kaufen können. Wenn die Leute dort etwas haben, solltet ihr euch auch mit Vorräten versorgen. Wir halten dort an, und Gilg wird euch begleiten. Er spricht die Sprache der Leute. Wenn ihr dann alles habt, trennen sich unsere Wege.“
Novae (Sistova),
21. Juli 1096
Die Siedlung, die sie noch im Laufe des Vormittags erreichten, war größer als die Dörfer, die in den letzten Tagen an ihnen vorbeigezogen waren. Die Flößer steuerten das Ufer an, hielten jedoch weiterhin Abstand genug, dass man zu ihnen hätte hinschwimmen müssen. Einige neugierige Blicke schauten vom Ufer zu, wie sie Hildes
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