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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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ab. Die erste Nacht auf festem Boden war ungewohnt. Immer wieder schreckten beide auf und wurden gewahr, dass sie die Bewegungen des Wassers nicht mehr spürten. Als es wieder hell wurde, standen sie gleich auf, tranken etwas Wasser, aßen ein Stück Brot und machten sich gleich wieder auf den Weg.
    So wie am Abend zuvor verzichteten sie darauf, ihr Zelt aufzubauen. War der Esel angebunden und versorgt, machten sie sich ein kleines Feuer, wärmten den Brei vom Morgen auf oder kochten sich etwas Eintopf. Sie tranken mit Wasser verdünnten Wein, und wenn es begann, dunkel zu werden, krochen sie auf ihre Strohsäcke, die sie unter der Karre ausgebreitet hatten. So brauchten sie am Morgen nur die Säcke zurück auf den Wagen zu werfen und waren schon wieder marschbereit. Die Hitze machte ihnen anfangs sehr zu schaffen, doch das lag wohl an dem langen Herumsitzen auf den Flößen, denn mit jedem Tag, den sie weiter wanderten, ging es etwas besser. Sie versuchten die dunklen Rauchsäulen, die sich deutlich am Himmel abzeichneten, zu ignorieren. Sie ahnten, was sich an ihrem Ursprung ereignet hatte, und wollten am liebsten nicht daran denken noch damit direkt konfrontiert werden. Was ihnen anfangs wie eine Hügelkette vorkam, die von Westen nach Osten ihren Weg kreuzte, entpuppte sich mit jedem Tag, den sie ihr näherkamen, als ein Gebirge. Tagelang plagten sie sich bergauf. Der Weg, dem sie folgten, schien häufig begangen worden zu sein. So kamen sie trotz aller Mühen gut voran. Als sie endlich am höchsten Punkt des Passes anlangten, breitete sich vor ihnen die Landschaft wie ein Teppich aus. Die Wälder waren dunkelgrün, die Felder gelblich braun, und sie konnten den Weg, den sie gehen wollten, ein großes Stück weit mit den Augen verfolgen. Ursula suchte die Landschaft nach Rauchfahnen ab. „Hilde“, fragte sie zögernd und ängstlich, „Hilde, ist dir aufgefallen, dass wir seit vielen Tagen nicht einen Menschen zu Gesicht bekommen haben?“
    „Ja“, antwortete Hilde, „aber ich bin froh drum. Mir reicht, was wir bisher sehen mussten. Ich glaube, das wird sich bald ändern. Erinnere dich daran, was Utz erzählt hat. Die Pilger sind von Beograd nach Niš gezogen, um dann über die Stadt Sofia auf der alten Heerstraße von Soldaten von Byzanz nach Konstantinopel geleitet zu werden. Ich denke, wenn wir da unten angekommen sind“, und sie wies mit ausgestrecktem Arm nach Süden, „wird es nicht lange dauern, bis auch wir auf diese Heerstraße stoßen. Ich befürchte, von da an werden wir mehr Leute sehen als uns lieb ist. Aber was soll’s, hier oben können wir nicht bleiben, und ich freue mich jetzt erst einmal darauf, dass ich unserem treuen Esel jetzt nicht mehr die Karre hinterherschieben muss.“
    So machten sie sich an den Abstieg. Schon beinahe am Fuße der Berge angelangt, stießen sie auf ein Dorf. Die Häuser des kleinen Ortes waren allesamt aus grauen Steinen errichtet. Als sie sich den ersten Bauten näherten, schauten ihnen bereits mehrere neugierig misstrauische Augenpaare entgegen. „Ursula, schau freundlich und zeig keine Furcht“, ermahnte Hilde ihre Freundin.
    „Sei gegrüßt!“, rief sie der ersten Gestalt vor einem Haus zu und hob einen Gruß andeutend die Hand. Die Gestalt entpuppte sich als Frau, die aber nichts antwortete, sondern rasch in ihrer Hütte verschwand. Hilde und Ursula gingen langsam weiter und trafen auf einen bärtigen Mann. „Sei gegrüßt“, sagte Hilde und hob erneut die Hand. Ursula tat es ihr gleich und versuchte zu lächeln. Auch der Mann hob seine Rechte und sagte etwas. Ursula und Hilde verstanden kein Wort. Es hörte sich aber nicht bedrohlich an. Hilde ging auf ihn zu und fragte: „Sag uns, wo können wir unseren Esel tränken und unsere Schläuche mit Wasser füllen?“ Der Mann schaute sie verwirrt an und schüttelte den Kopf. Hilde versuchte es anders. Sie zeigte auf ihr Tier. „Esel.“ Dann schüttelte sie ihren fast leeren Wasserschlauch. „Wasser? Trinken?“ Und sie machte eine Bewegung, als würde sie einen Becher leeren. Der Mann schien zu verstehen, er lächelte jetzt auch und winkte ihnen, ihm zu folgen. Er führte sie wirklich zu einer Tränke. Während sie durch das Dorf gingen, schlossen sich ihnen immer mehr Menschen an. Als der Esel dankbar seine Nase in das Wasser steckte, waren sie umringt von einem guten Dutzend Männer und Frauen sowie von einer ganzen Schar Kinder. Die Leute hatten fast alle schwarzes Haar, und die Haut aller war sehr

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