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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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braun. Die Kinder schienen am mutigsten zu sein. Sie näherten sich ohne Scheu den Reisenden, streichelten den Esel und musterten Hilde und Ursula unverblümt. Die Erwachsenen redeten durcheinander, einige schienen die beiden Frauen anzusprechen, aber ohne zu verstehen, wovon die Rede war, konnten die Pilgerinnen darauf nicht eingehen. Hilde hatte eine Idee. Sie wies mit ihrem Arm aus dem Dorf heraus und fragte: „Konstantinopel?“
    Die Leute verstummten. Hilde fragte noch einmal: „Konstantinopel?“
    Ein Mann schien zu erahnen, was sie meinte, und sagte nickend: „Ja, ja, Konstantinopel.“
    Hilde wollte gerne mehr wissen. „Kann uns jemand von euch verstehen?“, fragte sie.
    Ein älterer Mann trat vor die anderen. „Du Franken?“, fragte er.
    „Ja“, antwortete Hilde, auch wenn das nicht richtig war. Aber wie hätte sie erklären sollen, woher sie kamen. Franken war zumindest grob die Richtung. „Ja.“ Sie sprach betont langsam: „Und wir sind auf den Weg nach Konstantinopel.“
    „Ihr allein?“, fragte der Mann jetzt.
    Hilde nickte, und der Mann sagte darauf etwas zu seinen Leuten. Ursula schien eine gewisse Erleichterung bei den Menschen zu spüren.
    „Konstantinopel?“, fragte Hilde erneut.
    „Ja, ja, Konstantinopel“, antwortete der Mann und wies Richtung Südosten.
    „Ist das weit?“, bohrte Hilde weiter. „Wie lange?“
    Der Mann überlegte, sagte etwas und hob dann seine Hände mit ausgestreckten Fingern.
    Hilde merkte, so kamen sie nicht weiter. Also beschloss sie, nach etwas anderem zu fragen. „Essen?“, fragte sie, führte wiederholt die Hand zum Mund und strich sich mit der anderen über den Bauch.
    Der Mann lächelte erneut. „Ja, ja, Brot“, sagte er. Er winkte ihnen zu folgen. Die Menschentraube teilte sich und ließ sie hindurch. Vor einer Hütte blieben sie stehen. Der Mann verschwand kurz und kam dann mit einem Fladen Brot wieder heraus. Er riss den Fladen entzwei und gab Hilde eine Hälfte. „Gut, essen“, sagte er dazu.
    Hilde gab Ursula auch ein Stück des Brots. „Ich glaube, wir sollten langsam weitergehen. Unsere Richtung stimmt.“ Ursula nickte.
    Hilde trat auf den Mann zu, ergriff seine Hand. „Danke“, sagte sie und schaute ihm in die Augen. „Danke.“ Und sie deutete eine kleine Verbeugung an. Der Mann zeigte lächelnd seine Zähne. Hilde nahm den Esel am Halfter. Kurz winkten sie den Dorfbewohnern zu und schritten dann etwas schneller aus. Die Leute ließen sie ziehen. Als sie die letzte Hausmauer passiert hatten, atmete Ursula hörbar auf. Sie hatte Angst vor den fremden Leuten. Die ungewohnte Sprache, die sie nicht verstand, der Gedanke, dass selbst die Frage nach Wasser nicht einfach war, bedrückte sie.

Am Fuße des Balkangebirges,
27. Juli 1096
    Am zweiten Tag wurde ihnen das Wasser knapp, und sie sahen sich auf ihrem Weg nach einem Bachlauf oder einem Brunnen um. Als sie an eine Stelle kamen, an der von ihrem Weg ein schmalerer Pfad abzweigte, und sie in dessen Richtung nicht zu weit entfernt den Rauch eines Feuers sahen, schlug Ursula vor, es dort zu versuchen. Sie waren noch nicht weit auf dem Pfad gegangen, als sie hinter einer kleinen Kuppe das Dach eines Hauses ausmachen konnten. Sie gingen darauf zu, doch als sie näherkamen, eilten ihnen eine Frau und ein halbnackter Jüngling entgegen. Sie riefen ihnen etwas in einer fremden Sprache zu. Und als Ursula und Hilde weiter auf sie zugingen, bückten sich der Junge und die Frau und begannen, mit Steinen nach ihnen zu werfen. Dabei wurden ihre Rufe immer zorniger, und die Frau drohte ihnen mit der Faust. Schon wurden die Steinwürfe genauer, und die ersten Brocken trafen den Karren. Hilde und Ursula drehten ihr Gefährt, so schnell es der Esel zuließ, um und machten kehrt. Ein Stein traf den Esel, und aufwiehernd setzte er sich in Trab, so dass seine Herrinnen Mühe hatten, ihm zu folgen. So entkamen sie aber weiteren Geschossen, und als sie zurück auf der Straße waren, gelang es Hilde, den Esel zu zügeln.
    „Das war aber kein sehr freundlicher Empfang“, schnaufte Hilde, noch immer außer Atem. Ursula nickte nur. Auch sie schnappte nach Luft. „Lass uns schnell weitergehen“, schlug sie Hilde vor, da sie wieder zu Atem gekommen war. „Wer weiß, vielleicht kommen die uns hinterher. Es wird sicher noch andere Höfe geben, oder wir finden einen Bach.“
    „Ja, sicher“, sagte Hilde schlicht, griff in das Halfter des Esels und schritt kräftig aus. Ursula schüttelte innerlich den

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