Die Kreuzfahrerin
mit dem Essen fertig, als Straton hereinkam.
„Der Kaiser will den Einsiedler und einige seiner Ritter empfangen“, berichtete er. Aber auch diese Neuigkeit konnte Ursula und Hilde nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Und so blieb Straton alleine mit seiner Großmutter zurück.
Als Ursula, Hilde und Melpomene zurückkehrten, saß die alte Kyrilla im kleinen Hof wartend vor einer großen hölzernen Wanne. „Waschen“, sagte sie und hob wieder ihren gekrümmten Zeigefinger. Ursula liebte bereits diese kleine Geste Kyrillas und wusste, sie wollte ihr etwas zeigen. Mit ihrem Bündel schmutziger Kleider hockte sie sich neben die Frau. Kyrilla zeigte ihr die Stengel einer Pflanze. Sie nahm zwei Steine, legte einen vor sich hin und zerklopfte mit dem anderen die Pflanzenteile. Saft trat aus den Fasern, und Kyrilla forderte Ursula auf, ihre Finger hineinzutauchen. Ursula roch an den benetzten Fingern und rieb die Kuppen von Daumen und Zeigefinger aneinander. Es war schmierig. Die alte Frau schüttete den Saft, der sich in der Kuhle des einen Steines gesammelt hatte, in das Wasser des Zubers und spülte auch die zerdrückten Pflanzenteile kräftig darin aus. Sie rührte mit der Hand sorgfältig um und forderte Ursula auf, ihre schmutzige Kleidung in das Wasser zu geben. „Waschen.“ Ursula verstand, tat wie ihr geheißen und drückte ihre Kleidung in den Bottich. Hilde sah zu. Bereits nach kurzer Zeit lösten sich aus dem Stoff all der Staub und Schmutz der letzten Wochen. Ursula war begeistert. Kyrilla gab ihr eine Bürste. Ursula zog das Kleid aus dem Wasser und breitete den nassen Stoff auf den Platten des Innenhofes aus. Als sie damit begann, ihr Kleid mit der Bürste zu bearbeiten, fing es an zu schäumen. Ursula konnte sehen, wie die Stellen, die sie bürstete, heller wurden, während der weiße Schaum mehr und mehr eine schmutzig braune Farbe annahm. Während Ursula so beschäftigt war, gab Hilde ihre Sachen in das Wasser. Kyrilla brachte einen Eimer mit Wasser und bedeutete Ursula, ihn über ihre Kleider zu schütten. Als Hilde ihre Sachen zu bürsten begann, leerte Kyrilla mit Ursulas Hilfe den Zuber, und beide füllten sie ihn wieder mit frischem Wasser. Darin spülte Ursula ihre Kleider aus. Nochmals löste sich im Wasser eine Wolke Schmutz. Nachdem sie für Hilde frisches Wasser geholt hatten, wrangen sie gemeinsam die Stoffe aus und hängten die Kleider über eine Schnur, die Kyrilla ihnen im Hof zeigte. Ursula wollte noch nach dem Esel sehen, als Straton in den Hof gelaufen kam. „Kommt. Kommt schnell. Der Einsiedler zieht mit seinem Gefolge durch die Stadt. Die Unterredung mit Kaiser Alexios ist vorbei, und es heißt, noch heute wird damit begonnen, die Pilgerschaft über die Meerenge zu bringen.“
Hilde und Ursula folgten Straton. Zu beiden Seiten der großen Prachtstraße hatten sich viele Menschen versammelt, um dem Schauspiel beizuwohnen. Peter der Einsiedler kam auf seinem Esel geritten, begleitet von fünf Rittern in Rüstung und hoch zu Ross. Die Menge an den Straßenrändern begann zu brüllen, und nicht wenige hoben die Fäuste. „Die Bewohner von Konstantinopel sind böse auf die Fremden“, erklärte Straton. „Die Leute dieses Mönches haben viel Unheil angerichtet, sie haben ein paar Paläste angezündet und sogar das Blei von dem Dach einer Kirche gestohlen, um es am nächsten Tag teuer zu verkaufen. Stünde dieser Einsiedler nicht unter des Kaisers Schutz, die Menschen würden ihn steinigen.“
Ursula nickte. Sie schämte sich und war froh, dass sich auf ihrem zweiten Kleid noch kein Stoffkreuz befand. Peter der Einsiedler sah noch erbärmlicher aus als damals in Regensburg, fand Ursula. Die Ritter, die ihn begleiteten, hatten zwar Teile ihrer Rüstungen poliert, aber Bärte und Haare waren offensichtlich ungepflegt, und auch der Stoff, der unter den Rüstungen hervorschaute, war löchrig, zerrissen und schmutzig.
Straton verabschiedete sich von den Frauen. Er wollte zur Mauer, um an seinem Posten weitere Erkundungen einzuholen. „Ihr geht besser zurück zur Großmutter“, riet er Ursula und Hilde. „Es wird jetzt besser sein, wenn ihr euch nicht als Pilger zu erkennen gebt.“ Hilde nickte, und auch Ursula verstand den Rat. Beide drängten sich aus der Menschenmenge heraus und suchten sich ihren Weg zurück zum Kräuterhaus Kyrillas.
Wieder im Innenhof hatte Ursula eine Idee. Ihre Haare waren nach wie vor verfilzt, und sie kam mit ihrem Kamm nicht durch das Gestrüpp, das sie
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