Die Kreuzfahrerin
brachte Neuigkeiten.
„Euer Einsiedler ist ein Verrückter“, begann er entrüstet. „Er hat Kaiser Alexios gesagt, er wolle das ganze Land von hier bis Jerusalem von den Heiden befreien. Dabei hat er noch nicht einmal eine Armee. Der Kaiser hatte den Papst um Hilfe gegen die Turkmenen und Seldschuken gebeten. Er hatte auf ein Ritterheer gehofft, doch gekommen ist dieser Verrückte, mit wenig Rittern und sehr viel anderem Volk, viel zu viel anderem Volk. Der Hof hat Nachricht, dass sich in diesen Tagen ein Ritterheer aus Franken auf den Weg macht. Aber Konstantinopel kann nicht die große Menge des Einsiedlers vor den Toren über Monate versorgen. Und Konstantinopel will auch nicht, nachdem sich die Fremden so schlecht aufgeführt haben. Sie haben geplündert, Paläste in der Vorstadt angezündet und vieles mehr. Das Volk von Konstantinopel ist böse auf die Fremden. Der Kaiser hat dem Einsiedler vorgeschlagen, ihn und all seine Leute über das Meer zu bringen. Dort sollen sie ihr Lager aufschlagen und auf die Ritter warten. Der schmutzige Mönch ist einverstanden, will aber nicht lagern, sondern gleich weiterziehen. Er ist dumm. Mit den wenigen Soldaten, die er hat, und all den unbewaffneten Bauern und Knechten wird er nicht weit kommen. Die Turkmenen sind ein listiges Reitervolk. Sie sind schnell und stark. Die Menschen vor den Mauern brechen bereits auf. Soldaten haben die Straße zum Hafen gesichert, damit es keine Übergriffe gibt, und bereits morgen werden alle über das Meer gebracht.“
Bestürzt lauschten Ursula und Hilde dem Bericht. „Ja, dann sollten wir wohl auch unsere Sachen packen“, meinte Hilde resignierend.
„Nicht gehen“, mischte sich Kyrilla ein. „Nicht gehen, hier stehen. Gehen nicht gut.“ Sie redete in ihrer Sprache auf Straton ein.
„Großmutter sagt, ihr dürft nicht gehen. Sie hat geträumt und Zeichen gesehen. Ihr dürft nicht gehen. Die Zeichen sind schlecht, und Unglück steht bevor. Großmutter bittet euch zu bleiben. Sie lädt euch ein, ihr dürft Gast in ihrem Haus sein, so lange ihr wollt. Sie möchte gerne mit Ursula noch viel über Kräuter sprechen.“
Ursula sah Hilde fragend an. Doch Hilde selbst schien sich auch unsicher.
Straton ergriff erneut das Wort: „Kaiser Alexios sagt nicht umsonst, man solle auf die Ritter warten. Unsere Soldaten sind anders als eure Ritter. Die Turkmenen und die anderen Stämme kennen nur die Kämpfe mit uns. Sie haben noch nicht gegen Ritter gekämpft. Glaubt mir, es ist besser, wenn ihr nicht mit dem verrückten Einsiedler geht.“
Raimund kam in den Innenhof gestürzt. „Hilde, Ursula, es geht los! Die ersten marschieren schon Richtung Hafen. Jetzt geht es nach Jerusalem. Morgen werden wir alle übergesetzt.“ Seine Begeisterung stieß auf wenig Anklang. Er sah die besorgten Mienen der anderen und fragte: „Was ist los? Lasst uns packen.“
„Nein, Raimund, langsam.“ Hilde war aufgestanden und stützte ihre Hände in die Hüften. „Wir sind uns noch nicht sicher, ob wir mitgehen wollen“, erklärte sie dem verwunderten Xantener. „Straton sagt, Peter der Einsiedler will nicht auf die Ritter aus Franken warten. Ich denke, das ist wirklich nicht sehr klug. Vielleicht ist es besser hier zu warten, bis die Franken da sind.“
„Aber Hilde“, Raimund war nicht überzeugt, „Peter ist ein heiliger Mann, Gott ist mit uns. Die, die das Kreuz genommen haben und nicht weitergehen, brechen ihr Pilgergelübde und geben sich selbst der Verdammnis preis.“
„Wir wollen ja weitergehen“, mischte Ursula sich jetzt ein, „nur nicht jetzt sofort, sondern mit dem Ritterheer. Raimund, du bist mit Peters Haufen bis hierher gegangen. Du weißt, es sind alles Bauern, Frauen, Kinder, einfache Menschen wie du, ohne richtige Waffen. Drüben warten Krieger.“
„Und ganz abgesehen davon“, schaltete sich Hilde ein, „Ritter sind gut ausgerüstet und haben Geld, in ihrer Gegenwart wird es uns besser gehen als zwischen den tausenden armen Schluckern.“
Raimund war sichtlich verwirrt. Alles hatte er erwartet, nur nicht diese Reaktion der Frauen. „Ihr müsst wissen, was ihr tut. Ich gehe nach Jerusalem. Gott will es. Und ich will hier nicht rumsitzen und Gott erzürnen. Ich gehe“, sagte er. Ursula wollte nochmal versuchen, ihn zum Bleiben zu bewegen, doch Hilde legte ihr die Hand auf die Schulter und gab ihr so zu verstehen, dass es wohl keinen Sinn hatte, noch mehr Worte zu verlieren.
Raimund verschwand in Richtung Hof, um seine
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