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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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ein besonders großes Schiff wurden Pferde und Rinder getrieben. Nur widerwillig betraten die Tiere die sehr breite, aber leicht schwankende Planke, die auf das Schiff führte. Als schließlich auch noch eine große Anzahl Menschen über die Planke drängten, war das Schiff bereits durch das Gewicht seiner Lasten tiefer ins Wasser gesunken, so dass der Weg über den Steg schräg nach unten führte. Ursula beobachtete fasziniert das Schauspiel. Sie hatte sich auf eine Mauer gesetzt und schaute dem Treiben auf dem Kai zu. Sie war sich jetzt sicher, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, nicht aufzubrechen. Im Gewusel auf der Mole entdeckte sie Raimund aus Xanten. Sie sprang von der Mauer und drängte sich durch die Leute.
    „Raimund!“, rief sie, „Raimund, warte.“ Der Angerufene drehte sich zu ihr um. Lächelnd erkannte er Ursula. „Raimund, ich wünsche dir viel Glück und den Segen Gottes“, verabschiedete sich Ursula von dem Reisegefährten.
    „Ursula, ich danke dir. Auch dich und Hilde möge unser Herr Gott begleiten. Wir sehen uns in Jerusalem“, antwortete Raimund. „Bist du nur wegen mir zum Hafen gekommen?“
    Ursula lachte auf. „Was bildest du dir ein. Nein, aber so ein Schauspiel bekommt man nicht alle Tage geboten.“
    Die Menge schob sich weiter, und Ursula musste aufpassen, dass sie wieder aus dem Gedränge herauskam. Sie winkte Raimund noch einmal zu und wollte bereits zurück zu ihrer Mauer. Kurz sah sie einem gerade ablegenden Schiff nach. Dichtgedrängt standen die Wallfahrer an der Bordwand, und ganz plötzlich schaute Ursula direkt in die Augen eines ihr so bekannten Gesichts. Ursula schüttelte kurz den Kopf, sie musste sich täuschen. Doch als sie erneut hinsah, erkannte sie ihn deutlich, und auch in seinem Gesicht leuchtete Erkennen auf. Da auf diesem Boot stand Ludger. Zuerst verspürte Ursula den Drang zu winken und seinen Namen zu rufen, doch dann musste sie zurückdenken an ihr totes Kind und wie sie vom Hof gejagt worden war. Ludger schien erstaunt ihren Namen zu rufen, doch der Stimme Klang ging im Tumult des Hafens unter. Ursula wandte sich ab und verließ das Chaos. Sie suchte Straton, und da er eingeteilt worden war, mit weiteren Wachsoldaten für Ordnung zu sorgen, erklärte er ihr einen einfachen Weg zurück durch die Stadt. „Aber verberge dein Kreuz“, riet er ihr, „sonst könntest du Ärger bekommen.“ Ursula breitete ihr Tuch über das Kreuz und trat den Heimweg an. Das unvermutete Wiedersehen des Jungbauern erfüllte sie mit trüben Gedanken. Er hatte sich damals ebenso abgewandt wie sie heute und hatte sie alleine gelassen. Sein Kind war tot, und Ursula wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Ursula bezweifelte, dass er sich wesentlich verändert hatte. Es war nun schon fast zwei Jahre her, dass sie den Hof des Bauern Matthes verlassen hatte. In Gedanken versunken trat sie auf den Platz vor der Hagia Sophia. Es zog sie in die Kirche. Unter den Augen des riesigen Pantokratormosaiks kniete sie auf dem steinernen Boden nieder. „Herr Gott, nimm von uns alle Schuld“, betete sie. „Nimm meine Tochter Ester auf in dein Reich. Führe Hilde und mich nach Jerusalem, auf dass wir rein werden von all unseren Sünden, so wie der Heilige Vater es zugesagt hat. Herr, erbarme dich unser. Herr, erbarme dich unser. Herr, erbarme dich.“ Sie schlug sich vor die Brust und schaute dem Christus über sich fest in die Augen. Noch lange verharrte sie auf Knien, Aug in Aug mit Gott und voll banger Hoffnungen auf alles das, was noch kommen würde.
    Die folgenden Wochen und Monate vergingen wie im Fluge. Unermüdlich nahm Ursula alles Wissen auf, welches Kyrilla ihr vermittelte, und die alte Frau wurde nicht müde, Ursula zu unterrichten und selbst dabei die Sprache der Fremden zu lernen. Bald schon konnten Ursula und sie ohne die Hilfe von Straton oder Melpomene den ganzen Tag miteinander redend verbringen. Ursula lernte auch ein paar Brocken Griechisch. Hilde hatte anfangs immer bei den beiden gesessen und interessiert dem gelauscht, was Ursula und Kyrilla über die Kräuter und deren Kräfte wussten. Auch sie kannte das ein oder andere Kraut, doch ihre Freundin und Kyrilla wussten viel mehr. Irgendwann reichte es Hilde. Sie hatte dafür nicht den Geist. „Mein Kopf ist zu klein für all das“, entschuldigte sie sich und ging von da an immer häufiger ihre eigenen Wege. Die führten sie entweder zu Straton, um mit ihm zu schäkern, oder in die Stadt, zum Hafen oder zum

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