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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Christenstadt, von der du erzählt hast?“
    „Ja, bestimmt noch zehn, vielleicht auch fünfzehn Tagesmärsche.“
    „Wir haben noch Wasser, hast du Durst?“
    „Danke, ich habe selber noch.“ Roderich lächelte sie an und drückte ihre Hand etwas fester. „Es ist eine Vorhut vorausgeschickt worden, sie soll, wenn irgend möglich, eine Wasserstelle finden und sichern, die nicht unbrauchbar gemacht wurde.“
    Nicht ganz zwei Wochen reichten die Vorräte und die gemachte Beute, bis die ersten anfingen, ihre Reste zusammenzukratzen und zu rationieren. Ursula und Hilde mussten ebenfalls aufpassen. Der Esel bekam gerade noch so viel, dass er den Tag überstehen konnte. Auch sie selber versuchten, weniger zu trinken. Zu essen hatten sie nur noch einen Sack mit Hülsenfrüchten, die sie lange kochen mussten und die ihnen am folgenden Tag den Magen blähten. Andere hatten gar nichts mehr. Sie sahen mit an, wie Menschen und Tiere zusammenbrachen. Besonders in der Mittagshitze blieben viele am Wegrand liegen. Wenn ein Pferd zusammenbrach, stürzten sich alle, die sich in der Nähe befanden, auf den noch warmen Kadaver. Sie fingen das Blut in ihren Helmen auf und tranken es. Andere sicherten sich ein Stück Fleisch. Sie sahen Menschen, die Ziegen und sogar Schweine vor ihre kleinen Karren gespannt hatten. Manch einem Bogenschützen und Ritter, der sein Pferd verloren hatte, versagten die Beine unter der schweren Rüstung und dem Kettenhemd. Sie saßen stumpfsinnig auf Wagen, die von wenigen Ochsen gezogen wurden, deren Haut sich über die hervorstehenden Knochen und Rippen spannte. Von Tag zu Tag wurde der Zug elender. Ursula verspürte Hunger und Durst, doch sobald Roderich auftauchte, vergaß sie jegliche Mühsal. Abends fielen alle nur noch völlig erschöpft auf ihre Strohsäcke. Roderich konnte nicht bei ihr bleiben, da er sich mit einigen Rittern die Wache über ihre Reittiere teilte, um sie nicht an den hungernden Pöbel zu verlieren.
    Die Strecke, die der Tross täglich zurücklegte, wurde immer kleiner. Der Weg des Heerzuges wurde gesäumt von weggeworfenen Rüstungsteilen, verdursteten Menschen und Tieren, und alle, die sich noch auf den Beinen halten konnten, zogen ihre müden Füße durch den Staub. Ursula und Hilde hatten ihren Esel auf den Rat Roderichs hin abgeschirrt. Gemeinsam zogen sie ihre Karre nun selbst. Roderich half ihnen immer, wenn er konnte, und auch einige der normannischen Freunde kamen, und gegen die Erlaubnis, ihre Rüstungen auf dem Karren abzulegen, zogen sie ihn auch zeitweise. Die Stimmung im Zug war an ihrem tiefsten Punkt angelangt. Kaum jemand glaubte noch an das Erreichen der Stadt Ikonion, geschweige denn an Jerusalem, da setzte sich ein heiserer Schrei von ausgetrockneter Kehle zu Kehle fort. Die ersten Reiter kamen von Ikonion zurück und brachten Wasserschläuche, um den Elendsten auch noch die letzten Tagesmärsche zu ermöglichen.
    Ursula umarmte zuerst Roderich, dann Hilde und zuletzt auch noch ihren Esel.

Ikonion,
5. August 1097
    „Endlich Wasser!“ Hilde hob den gerade gefüllten Eimer über ihren Kopf und leerte ihn über sich aus. Dabei lachte sie wie ein kleines Mädchen. Auch Ursula war übermütig. Sie hatte getrunken, sich die Haare nass gemacht und die Kühle genossen. Noch bevor es dunkel werden würde, wollte sie sich waschen, von oben bis unten, auch die Haare. Mit Hildes Hilfe und einigen Eimern Wasser würde das schon gehen. Dann wollte sie sich die Haare so flechten, wie es ihr in Konstantinopel beigebracht worden war. Auch Roderich durfte sich nun wieder ausruhen, und Ursula wollte mit ihm das Erreichen der Stadt feiern. Hilde hatte schon gesagt, dass sie zu den Normannen gehen wollte, so würde Ursula das Zelt für sich und ihren geliebten Roderich haben. Der hatte versprochen, bis zum Abend etwas zu essen zu besorgen, und so hatten die Frauen Zeit genug. Ursula räumte die Hälfte des Zeltes auf die Seite. Dadurch hatte sie Platz, sich verborgen vor anderen Blicken zu waschen. Hilde hatte das Zelt hinter sich verschlossen, und Ursula wusste, sie konnte sich ohne Furcht ihrer Kleider entledigen.
    Erfrischt trat sie einige Zeit später in ihrem sauberen Ersatzkleid vor das Zelt. Hilde wusch ihr die Haare und half ihr anschließend beim Kämmen. Die rotblonde Mähne flammte im Licht der untergehenden Sonne.
    Als Roderich mit einem gebratenen Stück Fleisch und einem Schlauch Wein sowie zwei Fladenbroten zum Zelt kam, traute er seinen Augen kaum. Ursula war

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