Die Kreuzfahrerin
ließen all ihre Sachen auf dem Karren, vor dem immer noch geduldig der Esel stand. Lediglich ihre Strohsäcke zogen sie vom Gefährt und ließen sich im Zelt gleich darauf fallen.
Wenn sie es in aller Hektik richtig vernommen hatten, so waren die Pilger Christi siegreich geblieben.
Im Morgengrauen wurde Ursula durch eine Schwere, die sie auf ihrer Seite spürte, wach. Hinter ihr lag Roderich, so wie er vom Pferd gestiegen war. Nicht einmal seines Kettenhemdes hatte er sich entledigt. Vorsichtig entwand sich Ursula der Umarmung. Roderich war überall mit Blut besudelt, er selbst schien aber unverletzt. Vorsichtig stand Ursula auf. Roderich schlief tief und fest und wurde nicht wach. Auch Ursula bemerkte nun, dass sie am Abend, so wie sie war, auf das Lager gefallen war. Ihr Kleid war blutbefleckt, und auch an ihren Händen und Unterarmen befand sich getrocknetes Blut. Sie trat vor das Zelt. Nur das Stöhnen der Verwundeten im großen Zelt der Bader war zu hören. Es war noch kalt, und ein feuchter Schleier lag über dem Boden. Ursula machte Feuer und wärmte sich an den auflodernden Flammen. Sie suchte sich einen Eimer und etwas Wasser, wusch sich Hände und Arme. Erst dann begann sie einen Hirsebrei zu kochen. Der Brei war schon eine Weile fertig, und Ursula hatte bereits eine Schale vertilgt, da kam Hilde aus dem Zelt. Es herrschte noch immer gespenstige Ruhe. Hilde nahm ein paar Löffel Brei direkt aus dem Kessel. Sie stand da und sah sich um. „Komm, Ursula, wenn wir uns beeilen, sind wir die ersten auf dem Feld. Und wir können uns holen, was wir brauchen, bevor andere es uns streitig machen.“
Das war Hilde, immer geschäftstüchtig und auf das Praktische bedacht. Ursula folgte der Freundin trotz des Widerwillens, den sie gegen diese Tätigkeit hatte. Hilde hatte ja recht. Ein Schlauch Wasser, ein Säckchen Getreide und was man sonst noch finden konnte, mochten in nächster Zeit über Hunger und Durst entscheiden. Was sich ihnen auf dem Schlachtfeld bot, ließ sie beinahe den Brei wieder verlieren. Die Feinde waren bei weitem nicht so gut gerüstet wie die Christen. Sie mochten zwar gute Bogenschützen und schnelle, wendige Pferde haben, doch metallene Schutzkleidung schien ihnen fremd. Die meisten hatten Rüstungen aus hartem Leder an, die nur selten durch aufgenähte Metallplättchen verstärkt waren. Dementsprechend sahen die Opfer aus. Ursula sah einen Kopf, der von einem Schwerthieb gespalten war, sie schritt über abgetrennte Arme und durch Blutlachen. Tote Bekreuzigte waren meist mit mehreren Pfeilen gespickt, die sogar den Panzer der Kettenhemden durchdrungen hatten. Andere waren von Morgensternen und den gefürchteten Kampfkeulen der Muslime niedergestreckt worden. Überall klafften Wunden, Gedärme quollen aus aufgeschlitzten Bäuchen, und das Summen der Aasfliegen erfüllte die Luft. Hilde verscheuchte einen Hund, der an den Wunden eines Toten leckte. Eine ganze Weile wandelten sie zwischen den Leichen untätig umher. Hilde war die erste, die sich an den Anblick gewöhnt hatte und dazu überging, die Leiber zu untersuchen. Sie fand gleich hintereinander zwei kleinere Schläuche, die noch prall gefüllt waren. Ursula begann nun auch, an den menschlichen Überresten vorbeizusehen, auf der Suche nach etwas Gebräuchlichem. Zwischen einigen Toten lag ein Pferd, in dessen Hals mehrere Pfeile steckten. Über seinem Rücken lagen zwei miteinander verbundene Beutel. In ihnen fand Ursula Dörrfleisch, ein Säckchen Mehl und eines mit Körnern. Für die Waffen interessierten sie sich nicht. Hilde zog auch den ein oder anderen Ring von im Todeskrampf verkrümmten Fingern. Ursula sah sich nur nach Nahrung um. Schon bald waren sie nicht mehr alleine. Immer mehr Leute kamen aus dem erwachenden Lager aufs Feld. Kinder und Bogenschützen sammelten Pfeile. Männer sahen sich nach Schwertern und Lanzen um. Ursula konnte sehen, dass mancher, der seine Rüstung beim Marsch durch die Sommerhitze weggeworfen hatte, sich nun wieder mit entsprechender Kleidung der Toten versorgte. Nach und nach kamen immer mehr Krieger auf das Feld und vertrieben wütend das einfache Volk.
Ursula und Hilde traten den Rückweg an. Sie hatten fünf noch gut gefüllte Schläuche mit Wasser oder sogar Wein. Die Taschen vom Rücken der Pferde waren prall gefüllt mit Brot, Dörrfleisch und was die Krieger sonst noch an Nahrung bei sich hatten. Ursula hatte sich die Stoffbeutel über die eine Schulter gelegt und war froh, als sie sich vor
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