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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Sammelgut kümmern. Die Lindenblüten breitete sie auf einem Tuch zum Trocknen aus. Die anderen Sträußchen band sie einzeln und trug sie anschließend hinüber in die Scheune, um sie an einem Balken aufzuhängen. Arnulf und Ludger waren noch mit dem Vieh beschäftigt. Ursula ging also zurück ins Haus, holte sich den Milcheimer und gesellte sich zu den beiden in den Stall, um zu melken. Ludger und Arnulf beachteten sie gar nicht. Sie hockte sich neben die Kuh und begann, die Milch aus dem prallen Euter zu drücken. Mittlerweile schaffte sie schon beide Kühe, ohne dass ihr die Unterarme schmerzten. Mit der frischen Milch kehrte sie in das Haus zurück. Die Milch musste jetzt ruhen, damit sich der Rahm auf ihr absetzte. Später würde Ursula das Milchfett abschöpfen und es zu Butter stampfen. Bis dahin war aber noch Zeit. Ursula sah sich um. Sie legte Holz auf die Glut des Herdfeuers und überlegte. Da der Rest noch nicht vom Markt heimgekehrt war, wusste sie nicht, ob sie schon ein Abendbrot richten sollte. Um nicht tatenlos rumzusitzen, begann sie Wasser für einen Kräutersud zu erwärmen. Sie wollte einige von den Lindenblüten hinzugeben, denn die gaben immer ein kräftiges Aroma und etwas Süße in das Getränk. Ludger und Arnulf waren bestimmt noch zu den Schweinen gegangen, um nach dem Rechten zu sehen. Im Haus wurde es bereits dunkel. Das schwächere Licht der Dämmerung konnte die Ziegenhäute vor den Fenstern kaum noch durchdringen. Ursula zündete eine Talglampe an und stellte sie auf den Tisch. Das Wasser würde noch eine Weile brauchen, also schritt sie zur Tür und trat hinaus in den Hof. Der Himmel zeigte sich in einem satten Blau, die wenigen Wolken, die sie sehen konnte, schimmerten noch etwas rotgolden. Wenn die Familie es nicht vor Einbruch der Dunkelheit schaffte, wäre es geschickt, eine Fackel auf den Hof zu stellen, die ihnen den Weg wies. Das sollte Ludger machen. Als hätte ihr Gedanke die Macht, Wirklichkeit zu erzeugen, kam just in diesem Moment Ludger ums Eck mit einer Fackel in der Hand. Er strich an ihr vorbei ins Haus und kam nur wenig später mit dem am Herdfeuer entzündeten Kienspanbündel wieder heraus. Er befestigte die Fackel am Holzstamm beim Brunnen, der hatte ein dafür vorgesehenes Loch und eine lockere Kette, in die die Fackel gesteckt werden konnte, so dass sie schräg geneigt wie ein Ast des Stammes aussah, der am Ende in Flammen stand. Ludger kam auf sie zu. „Was hältst du hier Maulaffen feil, geh rein, mach Essen!“, herrschte er sie an. Ursula schlug die Augen nieder und folgte. Etwas tun war besser als warten. Sie schob den Eisenarm, an dem der Suppenkessel hing, halb über das Feuer, damit sich der darin übrige Eintopf langsam erwärmen konnte. Dann stellte sie Butter und Käse auf den Tisch, schälte ein paar Zwiebeln und legte sie dazu. Aus dem Kasten holte sie Brot und stellte dann noch für alle Becher hin.
    Neben dem Herdfeuer stand der Tontopf, in dem sie immer Wasser mit heißen Steinen bereitete. Sie ließ die ersten Flusskiesel zischend hineingleiten und holte von den frisch gepflückten Lindenblüten eine Handvoll. Diese und etwas Minze und Kamille gab sie in ein anderes Gefäß, in dem sie, sobald das Wasser kochte, die Kräuter aufgießen wollte. Mit der Holzzange holte sie die Steine aus dem Wasser, legte sie wieder an den Rand des Feuers und gab andere Steine in den Topf. Natürlich wäre es leichter und vor allem bequemer, das Wasser in einem Kessel über dem Feuer zum Kochen zu bringen, aber Kessel aus Eisen oder Kupfer waren teuer und dem Bereiten der Eintöpfe und Suppen vorbehalten. Nachdem Ursula noch ein Holzscheit auf die Glut gelegt hatte, an dem sogleich Flammen zu züngeln begannen, wurde die Stube in ihr flackendes Licht getaucht. Zitternde Schatten huschten über die Wände, und hinter den Ziegenhäuten schien es bereits kein Licht mehr zu geben. Einzig durch die offene Tür drang der gelbe Schein der Fackel noch von draußen herein. Ursula setzte sich an den gedeckten Tisch und dachte über den vergangenen Tag nach. Wie schön es doch an ihrem Teich gewesen war. Und davor? War es recht, was Ludger und sie getan hatten? Es war aufregend gewesen und fremd. Ursula spürte, wie ihr Körper auf die Erinnerungen reagierte. Es war, als zöge sich etwas in ihrem Inneren zusammen. War das Wollust? War das Sünde? Ob Ludger sich ähnliche Gedanken machte? Sie verspürte den Drang, mit Ludger darüber zu reden. Sie wollte wissen, was er dachte,

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