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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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die Beine durch und kam zum Stehen. Sie war noch nicht weit genug von den Zinnen der Stadt entfernt. Erneut Deckung hinter dem Felsen suchend wurde ihr klar, dass sie die Dunkelheit abwarten müsse, um aufrecht gehend schneller voran zu kommen. Auf allen Vieren vorwärts kriechend würde sie es nicht weit bringen. Resignierend lehnte sie sich an den Stein. Sie tastete nach ihrem Schlauch. Vorsichtig nahm sie nur einen kleinen Schluck und ließ ihn lange im Mund, so dass dies wenige Wasser ihre ausgedörrte Zunge so gut wie möglich nässen konnte. Dann erst schluckte sie. Schon spürte sie wieder den aufkeimenden Schmerz in ihrem Rücken. Sie stemmte die Beine in den Sand und biss die Zähne zusammen. „Du musst ruhig atmen“, ermahnte sie sich innerlich. Dann ließ sie vorsichtig ihre Hand zwischen die Schenkel gleiten. Behutsam versuchte sie herauszubekommen, wie weit das Kind schon war. Doch der Bauch behinderte sie. In dieser Stellung konnte sie nicht weit genug hinunterlangen. Sie gab es auf, verschnaufte und sammelte Kräfte, bevor die nächste Welle der Schmerzen kommen würde. Die Wehen waren stark, aber sie kamen noch unregelmäßig und nicht zu dicht hintereinander. Sie schöpfte Hoffnung. Wenn sie ihren Körper beruhigen könnte, gab es eine Chance, noch rechtzeitig ins Lager zurückzukommen. Sie fasste Mut, atmete ruhig und tief. Dann genehmigte sie sich noch einen Schluck aus dem Schlauch. Sie wusste, solange das Wasser noch nicht aus ihr lief, war noch Zeit. Ein sanfter Schleier Traurigkeit legte sich ihr auf das Gemüt, als sie an ihre erste Schwangerschaft zurückdenken musste.

Auf dem Hof des Bauern Matthes,
Sommer 1095
    Matthes hatte in den folgenden Wochen nach und nach mehr vom Markt erzählt. Besonders Ludger schien begierig auf Neuigkeiten aus dem Dorf und der Welt. Was der Bauer sich von seinem ältesten Sohn entlocken ließ, deckte sich meist mit dem, was der Wandermönch erzählt hatte. Die Mächtigen der Welt waren zerstritten, und niemand wusste so recht, wohin das noch führen sollte. Weit im Westen habe es eine große Dürre gegeben, und demzufolge litten die Menschen dort Hunger. Viele hatten laut Erzählungen ihre Felder verlassen auf der Suche nach Besserem. Es seien Himmelzeichen gesehen worden, und immer mehr Prediger traten auf und kündeten vom nahen Ende der Welt. Auch beim Markt im Dorf sei ein Mönch gewesen, der in einer fremden Sprache redete. Der Dorfgeistliche habe dessen Predigt zu übersetzen versucht.
    Ute erzählte Ursula davon bei der Gartenarbeit. Der Fremde habe erzählt, dass es zwei Päpste gäbe, dass jeder dieser beiden einen anderen zum Kaiser gemacht habe und dass diese Entzweiung der Welt ein deutliches Zeichen für den Untergang sei. Weiter hatte der Prediger davon geredet, dass sich im Süden, wo der große Palast des Papstes sei, bei der Stadt Rom viele Krieger aus dem Norden weilten, die von einem der Könige oder von einem der Päpste, sie wusste es nicht mehr genau, angeworben worden waren, um zu kämpfen. Diese Nordmänner wären besonders grausam und hätten die Stadt Rom verwüstet. Nun lagen sie aber nur noch faul in der Sonne und langweilten sich, und der Prediger hatte aufgerufen, alle sollten darum beten, dass jene Krieger nicht auf die Idee kämen, hierher zu kommen. Ursula beunruhigte das Ganze nicht. Was war das? Die Welt? Ihr Horizont reichte gerade bis an das Ende des Dorfes. Was kümmerte sie denn, was weit, weit weg von hier geschah? Sie hatte ganz andere Sorgen. Immer noch versuchte sie einen passenden Zeitpunkt zu finden, um mit Ludger reden zu können. Gleichzeitig wusste sie aber nicht, wie sie den Jungbauern dazu bringen könnte, selber auf die Idee zu kommen, dass Ursula die rechte Braut und Bäuerin für ihn wäre.
    Nur eine Sorge drang in die Herzen aller. Der Bauer hatte davon erzählt, dass man unter den Leuten auf dem Markt noch mehr fremde Gesichter gesehen hätte als sonst. Er erzählte den Bericht einiger fahrender Händler, der davon Kunde gab, dass sich viel Volk auf den Straßen und in den Wäldern umhertrieb. Diese Menschen seien von der eigenen Scholle, aus ihren Lehensverhältnissen und vor ihren Herren geflohen. Sie hatten nichts und nahmen sich, was sie auf ihrem Weg brauchten, einfach und ohne zu fragen. Matthes warnte alle vom Hof ausdrücklich. „Haltet die Augen offen. Wenn ihr Fremde in unseren Landen seht, meidet sie, zieht euch unauffällig zurück und gebt hier auf dem Hof Bescheid. Redet mit keinem Fremden

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