Die Kreuzfahrerin
und tauchte unter. Ihren Haaren schien eine Wolke von Staub, Schmutz und Asche zu entfliehen. Mehrmals tauchte sie unter und wirbelte mit ihren gespreizten Fingern die Haare durchs Wasser. Dann kroch sie ans Ufer. So gut es mit ihren Fingern als Kamm ging, entwirrte sie die rotblonden Strähnen. Jetzt ärgerte sie sich, dass sie nicht an ihren Kamm gedacht hatte. Der Kamm war das einzige, was ihr von ihrer Mutter geblieben war. Er war aus Bein, grob gezinkt und hatte am oberen Ende, an dem man ihn hielt, einige feine Linien zur Verzierung. Den hätte sie jetzt gut gebrauchen können. Nachdem sie ihre Haare einigermaßen entwirrt und geglättet hatte, widmete sich Ursula ihren Kleidern. Sie erschrak fast, wie sich das Wasser um den Stoff gleich graubraun verfärbte. Die Kleider starrten vor Dreck und Erde. Ursula walkte und wrang den Stoff, bis das Wasser, welches sie aus dem Gewebe drückte, klar blieb. Dann breitete sie die beiden Kleider und die Unterkleider sowie ihre Schürze über ein paar von der Sonne erwärmte Steine zum Trocknen. Sie selbst setzte sich daneben in die Sonne und holte ihr Brot hervor. Genießerisch kauend, auf die glatte Oberfläche des Tümpels schauend, dachte sie über das Geschehene nach. Sie musste mit Ludger reden. Sie musste ihn auf die Idee bringen, sie zur Frau nehmen zu wollen. Eigentlich war sie ja schon seine Frau. Aber sie musste es irgendwie schaffen, dass auch er auf die Idee kam. Vielleicht sollte sie es ihm das nächste Mal nicht so leicht machen. Bei den Gedanken an ihre Gefühle spürte sie ein Kribbeln. So gescheit hat die Natur das eingerichtet, dachte sie bei sich. Wenn beide bereit sind und wollen, dann macht es die Natur von selbst, dass man sich nicht verletzt. Der Gedanke an Ludger entlockte ihr ein Schnaufen. Die Irritation über die Gefühle, die selbst die Erinnerung hervorrufen kann, ließ sie aufspringen. Sie prüfte, wie weit die Kleider getrocknet waren, und drehte sie auf den Steinen um. Der Stand der Sonne verriet ihr, dass sie noch etwas Zeit hatte. Sie lehnte sich an einen Stein und schloss die Augen. Mit einem Lächeln um die Mundwinkel malte sie sich aus, wie sie Bäuerin in einem eigenen Haus sein würde. Der Raum, in dem sie saß, war von Sonnenlicht erfüllt und kein bisschen duster. Am Herdfeuer züngelten freundlich einige Flammen um einen Topf, aus dem es verführerisch nach gedünstetem Gemüse roch. Die Tischplatte glänzte wie poliert, und der Boden der Stube war mit nicht weniger glatten und sauberen Brettern ausgelegt. Die Türöffnung ihr gegenüber war gleißend hell und wurde plötzlich von einem dunklen Schatten eingenommen. Mit einem Mal war ihr kühl. Sie fröstelte und schlug die Augen auf. Eine Wolke hatte sich vor die Sonne geschoben. Mit Gänsehaut an den Armen erhob sie sich. Ihre Kleider waren trocken. Sie zog sich ein Unterkleid und eines der groben Wollkleider über, band sich die Schürze um und legte die anderen Kleider zusammen. Als sie alles in ihren Sack verstaut hatte, nahm sie mit einem wehmütigen Blick von ihrem Zaubersee Abschied. Sie musste sich sputen, denn sie durfte nicht mit leerem Korb heimkehren.
In weit ausholenden Kehren bewegte sie sich den Waldhang hinunter und nahm alles mit, was sie finden konnte. Noch gab es reichlich Bärlauch, und sein scharfer Geruch ließ ihr den Magen knurren. Sie fand auch frische Minze an einer Lichtung, und schon beinahe am Waldrand entdeckte sie eine blühende Linde. Sie zupfte alle Blüten, die sie erreichen konnte, ab, und damit wurde ihr Korb voll. Zufrieden, erfrischt und sich sehr wohl in ihrer gewaschenen Haut fühlend kam sie auf dem Hof an. Die Sonne stand schon tief, und aus einiger Entfernung konnte sie Arnulf hören, der mit dem Vieh von der Weide kam. Auch Ludger musste etwas gehört haben, denn er trat genau im selben Moment aus der Scheune. Ursula tat, als beachte sie ihn gar nicht. Sie hatte aber wohl seinen Blick wahrgenommen, der Erstaunen oder Verblüfftheit bedeuten mochte. Wahrscheinlich wusste er sich nicht zu erklären, was sich an ihr verändert hatte. Auf die Idee, dass sie jetzt ganz sauber, mit gewaschenem Haar war, würde er sicher nicht kommen. Ursula lächelte in sich hinein, ging ins Haus und verstaute ihre saubere Kleidung. Dann erinnerte sie sich an den Kamm, setzte sich auf ihr Lager und begann andächtig ihre Haare zu entwirren und zu glätten. Anschließend band sie sie sich mit einem Lederriemen hinterm Kopf zusammen. Sie musste sich noch um ihr
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