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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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sich. „Wo soll das nur enden? Mann, du bist zu gutmütig und milde. Sprich jetzt ein Machtwort, jag das Luder vom Hof, bevor uns noch weiteres Unheil widerfährt.“
    Dem Bauern war sichtlich unwohl in seiner Haut. In ihm arbeitete es. Ursula bemerkte die zweifelnden Blicke, die der Bauer auf seinen Sohn richtete, und dann zuletzt den ganz kurzen, fast um Verzeihung bittenden Blick in ihr Gesicht.
    „Wem soll ich glauben, Ursula oder dir?“, sprach er Ludger an.
    „Ihm natürlich!“, ereiferte sich Ingrid. „Mann, er ist dein Sohn, hat er dich je betrogen?“
    Der Bauer wandte sich Ursula zu. „Wenn es so ist, dann musst du gehen.“
    Ursula glaubte, der Boden täte sich unter ihr auf und sie müsste endlos fallen. Sie sank auf ihrem Hocker in sich zusammen.
    „Ich bin aber kein Unmensch.“ Matthes war nicht zufrieden mit dem Urteil und dem Verlauf der Verhandlung. „Nicht mehr lang, und die ersten Fröste sind da. Von mir aus kannst du noch über den Winter bleiben. Mit der Schneeschmelze aber musst du gehen.“
    „Nichts da! Mann, bist du von Sinnen?“ Ingrid war aufgesprungen. „Nicht mehr lang, und sie wird ihre Arbeit nicht mehr verrichten können. Der Winter steht vor der Tür, wir haben nur noch die Milch einer Kuh und sollen die da und ihr Balg auch noch durchfüttern? Sie hat versucht, uns ein Kind unterzuschieben, um an das Erbe deines Sohnes zu gelangen. Weißt du, was sie als nächstes tut? Keine Nacht mehr ertrage ich diese Dirne unter meinem Dach. Nein. Auf der Stelle packt die ihr Bündel und verschwindet.“
    Der Bauer schwieg.
    Ursula sah sich um. Gernot und Ute sahen weg. Ludger saß immer noch mit gesenktem Kopf da. Die beiden Mädchen machten große Augen, und Arnulf erschien ihr voller Mitleid. Matthes sah sie auch nicht mehr an, und in die Fratze Ingrids mochte sie nicht sehen.
    „Morgen reicht aus. Ich jage niemanden in die Nacht hinaus.“ Die Stimme des Bauern war fest, und allen war klar, er duldete jetzt keinen Widerspruch. Auch Ingrid traute sich nichts mehr zu sagen. „Morgen packst du deine Sachen und gehst.“ Dann stand er auf und ging nach draußen. Auch alle anderen standen schweigend auf und suchten sich im Licht der Dämmerung noch etwas zu tun. Nur Ursula blieb noch wie betäubt sitzen. Zuerst hatte sie aufspringen, dem Bauern hinterherlaufen, sich zu seinen Füßen werfend ums Bleiben betteln wollen, aber ihr fehlte die Kraft dazu. Keiner schien sie zu beachten. Es war egal.
    Schließlich erhob sie sich doch und schlurfte zu ihrem Lager. Pack deine Sachen, klang es in ihr nach. Meine Sachen? fragte sie sich. Was sind meine Sachen? Die Kleider, das Tuch, die Decke, die beiden Holzfigürchen und Esters Lederetui mit dem Besteck. Sie überlegte, wie sie alles einpacken sollte, und entschloss sich, am Morgen einfach alles auf die Decke zu legen und daraus ein Bündel zu schnüren. Doch wohin soll ich jetzt? fragte sie sich. Der einzige Weg, den sie kannte, war der ins Dorf. Was dahinter oder in einer anderen Richtung war, wusste sie nicht. Der Gedanke beunruhigte sie, gleichzeitig aber, in aller Verzweiflung, rührte sich auch eine Neugierde. Sie stand da zwischen ihrem Lager und den Sträußen mit getrockneten Kräutern. Und in ihr wuchs Trotz und angesichts all der getrockneten Pflanzen auch Stolz. Sie wurde sich ihres Wissens und Könnens bewusst, und das gab ihr etwas Hoffnung und die Idee, auch von ihren Vorräten etwas mitzunehmen. Was würde sie brauchen? Gedanken an Esters Lehre wurden wach, und sie besann sich auf all das, was mit Schwangerschaft und Geburt zu tun hatte. Ich werde vielleicht im Dorf jemanden finden, der mich aufnimmt und der eine kräuterkundige Magd brauchen kann, dachte sie. Ganz in Gedanken begann sie ein Stoffsäckchen nach dem anderen zu prüfen. Es knisterte und raschelte, wenn sie sie zwischen den Fingern drückte, dann roch sie daran, und in ihrem Kopf entstand das Bild von der entsprechenden Pflanze und dem Ort, wo sie wuchs. Sieben der Säckchen legte sie beiseite, um sie am nächsten Morgen einzupacken. Dann wandte sie sich den kleinen Tiegeln und Töpfchen zu. Einige der Salben waren sicherlich noch gut. Während sie so beschäftigt war, trat Ute fast lautlos an sie heran und tippte ihr auf die Schulter. Ursula erschrak zuerst und erwartete wieder irgendeine spitze Bemerkung. Stattdessen hielt Ute ihr ein zusammengefaltetes Tuch hin. „Hier, ich brauch das nicht mehr, und dir kann es sicherlich von Nutzen sein. Du hast ja fast

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