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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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trieben.
    Ursula stand auf und beteiligte sich wortlos an den gewohnten Ritualen. Niemand sprach ein Wort, auch nicht, als sie alle am Tisch ihren Brei löffelten und das Brot kauten. Ursula hielt es kaum aus. Sie beeilte sich mit ihrem Essen und stand als erste auf, um ein letztes Mal die Kuh zu melken. Sie hatte den Milcheimer schon in der Hand, da rief die Bäuerin sie an. „Lass das. Es ist besser, du packst jetzt dein Bündel.“
    Ursula stellte den Eimer ab, und wie betäubt folgte sie der Anweisung. Bei ihrem Lager breitete sie ihr Tuch aus und legte ihre paar Habseligkeiten, das zweite Kleid und die aussortierten Kräuter und Tiegel hinein. Nachdem sie die Enden des Tuches verknotet hatte, sah sie sich noch einmal um. Im Hintergrund hörte sie Magda weinen. „Warum geht sie weg? Warum? Ich will nicht, dass Ursula geht.“ Ursula stand da, lauschte, und die Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie konnte sich nicht entschließen, den Verschlag, in dem sie so oft mit Ester zusammen gesessen war, zu verlassen.
    Magdas Heulen verebbte, und auf einmal wurde es ganz still im Haus. Ursula drehte sich erschrocken um. Alle waren nach draußen geschlichen, nur der Bauer saß noch am Tisch. Er winkte Ursula zu sich heran. Ursula trat zum Tisch, auf dem jetzt ein Brot, ein Stück Käse, ihre Breischale und ein Löffel lagen.
    „Pack das ein“, sagte Matthes, stand auf und nahm eine ihrer Hände. „Hier.“ Er legte ihr zwei Münzen in die von ihm gehaltene Hand. „Niemand soll sagen, ich hätte dich ohne alles davongejagt. Du wirst es vielleicht brauchen.“
    Noch ehe Ursula etwas sagen konnte, ließ er sie stehen und war zur Tür heraus. Verwundert schaute Ursula auf die beiden Metallplättchen in ihrer Hand. „Jetzt besitze ich sogar Geld“, wunderte sie sich. Sie wollte die Sachen vom Tisch in ihr Bündel stopfen, doch wusste sie nicht wohin mit den Münzen. Zuerst wollte sie sie in die Tasche ihres Rocks tun, dort begegnete ihre Hand allerdings dem Schlageisen, dem Zunder und dem Stein, die der Knecht ihr gegeben hatte. Mit einer Idee eilte sie zurück zu ihrem Lager. Schnell entleerte sie eines der kleinsten Kräutersäckchen und gab die beiden Geldstücke hinein. Sie band das Säckchen ordentlich zu und steckte es in die Tasche. Dabei fiel ihr Blick auf ein Stück Leder. „Ja, das ist genau richtig“, entfuhr es ihr. Zunder und alles, was mit Feuer zu tun hat, muss trocken bleiben. Sie faltete das Leder um das Feuerzeug und schob dieses Päckchen in einen Stoffbeutel.
    Draußen hörte sie Ingrids herrische Stimme. „Geh, sieh wo sie bleibt, nachher bestiehlt sie uns noch.“
    Wut breitete sich in ihr aus. Ute kam herein und reichte ihr einen prall gefüllten Schlauch. „Hier, Wasser.“ Sie wartete noch, bis Ursula ihre Sachen alle im Bündel verstaut und sich den Schlauch umgehängt hatte, dann sagte sie: „Komm, es ist Zeit.“ Ihre Stimme klang belegt.
    Als sie aus dem Haus traten, hatte ein feiner Nieselregen eingesetzt. Niemand war mehr auf dem Hof. Ursula drehte sich kurz zu Ute um und drückte ihr die Hand. Sie zog sich das Wolltuch über den Kopf und ging los. Am Rand des Hofes zögerte sie noch vor dem ersten Schritt auf den Fußweg, doch dann erinnerte sie sich an Ingrid, und ihre Wut sagte ihr: „Geh, dreh dich nicht mehr um und geh.“

Auf dem Weg nach Regensburg,
3. September 1095
    Die ersten Schritte setzte sie fest einen nach dem anderen, doch der Boden war vom Regen bereits feucht und glitschig, und schon bald machte sie kleinere Schritte, um nicht auszugleiten. Der Riemen des Wasserschlauchs schnitt ihr in die Schulter, und ihr Bündel stieß bei jedem Schritt gegen ihr Bein. Sie versuchte, es höher und vom Körper entfernter zu halten, hielt das aber nicht lange durch. So wankte sie über den Hügel und wusste, gleich würde man sie vom Hof aus nicht mehr sehen. Aber sie konnte dann auch ihr ehemaliges Zuhause nicht mehr sehen. Sie würde es nie mehr wiedersehen.
    Ihre Tränen mischten sich mit den Regentropfen, die ihr Gesicht netzten. Der Riemen des Wasserschlauches begann sie zu schmerzen. Sie schob den Daumen darunter, aber bereits nach kurzer Zeit wurde ihr der Finger taub. Sie versuchte mit der freien Hand den Schlauch zu halten und die Last auf den Riemen so zu mindern. Gleichzeitig stieß sie immer wieder gegen ihr Bündel. So quälte sie sich Schritt für Schritt weiter. Ihren Blick auf den Pfad vor ihren Füßen gerichtet, um nicht zu stolpern, bemerkte sie nicht die

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