Die Kreuzfahrerin
Schuppen an die Kirche. Der Mann bückte sich durch die niedrige Tür und forderte sie mit einer Handbewegung auf einzutreten.
Drinnen war es düster und voller Qualm. Licht drang nur durch eine Öffnung im Dach und ein kleines Rechteck mit einer gelblichen Haut davor in den kleinen Raum. Das Feuer brannte nicht richtig, und nur einige kleine Flammen züngelten um ein zischendes Scheit.
„Setz dich“, murrte der Mann, und Ursula ließ sich mit ihren Sachen neben der Feuerstelle auf dem Boden nieder. Jetzt merkte sie, wie nass und kalt sich ihr Kleid anfühlte. Sie begann zu zittern und rückte noch etwas näher an das Feuer. Der Mönch beobachtete sie. „Hast du nichts Trockenes?“
„Doch.“
„Dann zieh das an. In dem nassen Kleid holst du dir den Tod.“ Wortlos verließ er darauf den Raum. Ursula beeilte sich, das nasse Kleid loszuwerden. Wühlte das andere Gewand aus ihrer Tasche hervor und zog es sich hastig über. Der Mönch kam mit einigen Holzscheiten auf dem Arm zurück. Eines legte er sogleich ins Feuer, und die kleinen Flammen leckten am trockeneren Holz hoch. Dann zog der Mönch eine Kutte von einer Stange, deutete auf das nasse Kleid am Boden und befahl: „Häng das da hin, dass es trocknet.“ Er schüttelte den Kopf. „Vom Matthes, sagst du?“
„Ja.“
„Dann bist du zu spät aufgebrochen. Es ist nicht klug, im Dunkeln wohin zu kommen.“
„Dem Matthes hat man eine Kuh erschlagen und geraubt. Hast du etwas damit zu tun?“ Die Stimme des Mönches war wieder strenger, und Ursula wunderte sich, wie schnell doch die Kunde von dem Überfall bis hierher gedrungen war.
„Nein, ich gehörte bis gestern zum Hof“, antwortete sie.
„Und von wem ist das Kind?“
„Vom Jungbauern, ich dachte, er nimmt mich zur Frau.“
„Was sagt der dazu?“
„Nichts, er leugnet, mit mir gelegen zu haben.“
Der Mönch schwieg wieder und starrte vor sich hin. Ursula spürte, wie es ihr wärmer wurde. Die jetzt größeren Flammen des Feuers vertrieben den Qualm zum Dach hinaus, und es wurde heller in dem kleinen Raum. In einem Eck war ein Strohlager mit einem einfachen Sack darauf. Der Mönch saß auf dem einzigen Hocker an einem Brett, das aus der Wand ragte und ihm wohl als Tisch diente. Ein paar Gerätschaften standen und hingen an den Wänden. Neben der Feuerstelle lag eine Pfanne, und auf einem Haken darüber hing ein kleiner Kessel. Als habe er ihre Blicke bemerkt und ihre Gedanken erraten, murrte der Mönch: „Hunger?“
Ursula nickte stumm. Der Mann stand auf, nahm eine Schale vom Tisch, schöpfte etwas Brei aus dem Kessel und reichte Ursula die Schale ohne ein weiteres Wort. Unschlüssig nahm er seinen Löffel vom Tisch, doch schien er ihn nicht unbedingt hergeben zu wollen.
„Lasst, ich habe einen eigenen“, beeilte sich Ursula zu sagen und kramte ihren Löffel aus der Tasche. Der Mönch setzte sich wieder. Er ließ sie eine ganze Weile essen, bevor er sein Verhör fortsetzte. „Und wo willst du sündiges Geschöpf jetzt hin?“
Ursula fühlte sich betroffen. Mit gesenktem Kopf antwortete sie: „Ich weiß nicht. Ich dachte, ich frage zuerst hier im Dorf, ob jemand eine kräuterkundige Magd braucht oder mir gegen Arbeit Unterschlupf gewährt.“
„So, kräuterkundig bist du?“
„Ja, Ester, des Bauern Mutter, hat es mir beigebracht.“
„Ester, ja, die kannte sich aus.“
Ursula strahlte. Der Mönch kannte ihre alte Freundin.
„Hier im Dorf ist kein Platz für dich. Die Leute haben selbst nicht genug. Ich glaube nicht, dass du hier Unterschlupf findest. Auch wenn du fleißig bist, Arbeit gibt es immer genug, aber zu essen nicht“, nahm ihr der Gottesmann das Lächeln aus dem Gesicht. „Du wirst weitergehen müssen.“
„Aber wohin?“ Verzweiflung klang in Ursulas Stimme mit. Der Mönch sah von seinem Hocker aus auf das Häufchen Elend hinab, das er in seiner Kirche aufgelesen hatte.
„Ob in Hoffnung oder nicht, vorm Winter musst du eine Bleibe gefunden haben. Sonst ist dir nichts sicherer als der Tod“, überlegte er laut. „Bist du gut zu Fuß?“
Ursula nickte.
„Vorm Winter könntest du ein Kloster erreichen oder die Stadt am Fluss.“
Ursula horchte auf. „Ist das weit?“
„Ja, da wirst du schon eine ganze Weile gehen müssen. Das Kloster ist sicherlich näher und eine kräuterkundige Magd vielleicht nicht unwillkommen. Aber du trägst ein Kind der Sünde. Das dürfte Schwierigkeiten bereiten.“
„Und die Stadt?“ Ursula war dankbar für jeden Rat.
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