Die Kreuzfahrerin
Arnulf dann doch recht rasch. „Ich muss mich beeilen, ich musste länger laufen als gedacht, weil du so hastig gingst. Liesel ist allein bei den Rindern, und ich sollte ja bei ihr sein. Leb wohl, Ursula.“
Ursula zog Arnulf zu sich und umarmte ihn kräftig. „Leb wohl, Arnulf. Ich danke dir. Und jetzt spute dich.“
Arnulf war wohl wegen der plötzlichen Umarmung rot geworden. Nahm nun aber seine Beine in die Hand und war schon bald nicht mehr zu sehen und zu hören. Ursula blieb zurück und saß noch eine Weile still unter der Buche, sich über den Jungen wundernd. Dann begann sie ihre Habseligkeiten neu zu ordnen und sie in der geräumigen Tasche zu verstauen. Zuunterst legte sie das dünne Kopftuch, dann schichtete sie die Kräutersäckchen und die drei Tiegelchen mit Salbe hinein. Darauf Brot und Käse, eingeschlagen in ein Tuch, und darüber ihre Kleidung. Zuletzt legte sie noch ihre zusammengerollte Decke darauf. So war nun alles vor dem Regen geschützt, und die Tasche war nicht einmal zu voll. Leicht ließ sich der Deckel überschlagen und mit dem Holzknebel verschließen. Die Scheide des Messers band sich Ursula so an ihre Schürze, dass man sie nicht sehen konnte. Ein echtes Messer erschien ihr zu wertvoll, als dass sie es hätte offen tragen wollen. Sie schlüpfte unter den breiten Riemen der Tasche und stand auf. Obwohl die Tasche nun einiges wog, lag der Riemen bequem auf der Schulter und diagonal über ihrem Körper. Als sie den Wasserschlauch aufhob, hatte sie eine Idee. Mit dem Messer schnitt sie sich ein handgroßes Stück von der Buchenrinde und legte es sich auf die Schulter und den Riemen des Schlauches darauf. So konnte das dünne Leder ihr nicht mehr in die Schulter schneiden. Ursula trat unter dem Baum heraus, zurück auf den Weg. Schon nach wenigen Schritten wuchs ihre Begeisterung darüber, wie leicht es sich jetzt ging. Nichts schlug ihr mehr gegen die Beine, und auch der Wasserschlauch quälte sie nun nicht mehr. Gerade und aufrecht konnte sie nun gehen und fühlte sich sicherer, auch wenn sie in ihren Holzschuhen nach wie vor auf dem feuchten Lehmboden nur wenig Halt fand.
So lief sie erleichtert eine ganze Weile und gelangte an die Stelle, wo der schmale Pfad vom Weg abzweigte, über den man zum Nachbarhof gelangen konnte. Sie blieb stehen und überlegte, ob sie dort vielleicht um Unterschlupf bitten sollte. Sie hatte den Nachbarn nur ein paarmal gesehen und wusste wenig über dessen Verhältnisse. Doch sie wusste, er war ärmer dran als ihr Hof. Nein, die schicken mich gleich wieder weg, versicherte sie sich selbst und blieb auf dem Weg in Richtung Dorf. Wie spät es wohl ist? fragte sie sich. Der graue Himmel ließ keinen Schluss darüber zu, ob Mittag schon vorbei war. Bis zum Dorf war es noch ein langes Stück Weg. Ursula fürchtete sich davor, in die Dunkelheit zu geraten. Noch nie war sie bei Nacht alleine so weit weg vom Hof gewesen. Sie versuchte ihre Schritte zu beschleunigen, gab aber schon bald auf. Zu oft rutschte sie mit den Holzschuhen weg, wenn sie weit ausschritt. Zum Barfußlaufen war der Boden schon zu kalt. Also zügelte sie wieder ihre Schritte. Der Regen wurde zum Glück nicht stärker, und ihr Wolltuch schützte sie gut. Das Fett in der Wolle ließ nur wenig Nässe in das Gewebe dringen. Tapfer ging sie weiter. Nach der anfänglichen Euphorie über das bequemere Vorankommen verzagte nun ihr Herz. Sie wusste nicht, was vor ihr lag. Ob die Leute im Dorf ihr wohlgesonnen waren oder ob man sie zurückweisen würde. Sie hatte die Worte des Bauern noch im Ohr, was über die Fremden erzählt wurde, und sie war für die Leute im Dorf eine Fremde. Was, wenn ich keinen Unterschlupf finde? Wohin soll ich dann gehen? fragte sie sich. Weiter vor sich hin gehend versuchte sie sich an die Orte ihrer Kindheit zu erinnern. Wo war ich mit meinen Eltern zu Hause? Sie erinnerte sich an einen Raum, an ein Haus und vielleicht ein Dorf, aber sie hatte keinerlei Anhaltspunkt, wo das gewesen war. Sie erinnerte sich auch nicht mehr, wie sie zu ihrer Verwandtschaft gekommen war. Da waren nur Bilder von der toten Mutter und wie man sie aus dem Haus zog. Wohin hatte man sie damals gebracht? Sie wusste nicht einmal, ob sie gelaufen war oder auf einem Wagen fuhr. Auch an die Häuser der Verwandten hatte sie keine Erinnerung. Sie hätte den Bauern fragen sollen. Jetzt war es zu spät.
Langsam wurde sie müde. Sie musste eine Pause machen. Wieder duckte sie sich unter einen Baum und lehnte
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