Die Kreuzfahrerin
mit ganz kleinen, lautlosen Schritten darauf zu. Die Umrisse wurden deutlicher. Es war die kleine Kirche. Ursula fand den Eingang und schlüpfte hinein. Am anderen Ende des Raumes zu Füßen des Kreuzes flackerte ein Öllämpchen. Ursula zog die Schuhe aus und tastete mit bloßen Sohlen nach einer trockenen Stelle auf dem Steinboden nahe der Wand. Getröstet durch das Licht und mit dem schützenden Dach über sich ließ sie sich vorsichtig nieder. Aus ihrer Tasche zog sie die Decke und breitete sie auf den Boden aus, setzte sich darauf und nahm ihr Tuch ab. Sie legte sich nieder, zog die Beine an und versuchte, sich so gut es ging mit ihrem Tuch zuzudecken. Jetzt da sie still lag, spürte sie die Feuchtigkeit ihrer Kleider, und sie begann zu frieren. Sollte sie sich hier in der Kirche schnell umziehen? Sie haderte mit sich, und es hielt sie nicht auf dem Lager. Sie stand auf und begann leise auf und ab zu gehen. Sie wollte, dass ihr wieder wärmer würde, und dachte über eine Lösung nach. Natürlich, in trockenen Kleidern würde ihr sicherlich schnell wieder warm. Aber das nasse Kleid konnte sie nicht wie bisher über einen Stecken hängen, damit es trockne. Auf dem Steinboden wäre es am nächsten Morgen noch genauso nass und zudem eiskalt. Sie tastete sich ab. Am Oberkörper, wo sie den ganzen Tag über durch das Wolltuch geschützt gewesen war, fühlte sich der Stoff noch einigermaßen trocken an. Weiter unten war ihr Rock feucht, und ganz unten der Saum war schwer und nass. Sie drückte ihn zusammen, und es plätscherte auf die Steine. Nachdem sie den Saum rundherum ausgewrungen hatte, entschied sie sich, das Kleid doch auszuziehen. Im nassen Rock konnte sie nicht schlafen und würde zudem nur ihre Decke durchnässen. Kurz entschlossen zog sie sich das Kleid über den Kopf, breitete es auf dem Boden aus und zog sich dann im Unterkleid auf ihre Decke zurück. Sie legte sich auf den Rand und warf den anderen Teil der Decke über sich. Ihr Tuch legte sie unter ihren Kopf. So lag sie da und schaute der kleinen Flamme zu, wie sie hin und wieder aus ihrem Gefäß hervorleckte. Langsam wurde ihr wieder warm. Sie fühlte sich müde und erschöpft. Und als sie schließlich ihre Augen schloss, ließ der Schlaf nicht lange auf sich warten.
Auf dem Weg nach Regensburg,
4. September 1095
Unsanft riss sie ein Fußtritt aus dem Schlaf. „He! Was ist das hier?“, dröhnte über ihr eine tiefe Männerstimme. Ursula wusste im ersten Moment nicht, wo sie war. Erschreckt schaute sie zur Gestalt über ihr hinauf. Ein strenges, bartloses Gesicht schaute auf sie herab. Ursula sah sich ängstlich um, und die Erinnerung kehrte zurück. Bestürzt sprang sie auf und drückte die Decke an sich. „Ich“, stotterte sie. „Ich ... es war schon dunkel, als ich ankam, und ich wusste nicht wohin.“
„Und da ist das Haus des Herrn als Herberge gerade recht, hä?“ Die strenge Stimme flößte Ursula Respekt ein. Längst hatte sie den Mönch wiedererkannt, der Ester begraben hatte. „Nein, aber …“ Weiter kam sie nicht.
„Zieh dich an und dann raus hier!“, schimpfte der Mann. Ursula bückte sich nach ihrem Kleid und raffte es an sich. Der Mönch trat vor das Kreuz und verbeugte sich. Schnell zog sich Ursula den klammen, kalten Stoff über. Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht, da drehte sich der Mönch wieder zu ihr um. „Wo kommst du her?“, fragte er noch immer barsch.
„Vom Hof des Bauern Matthes.“
„Und warum schickt er dich allein ins Dorf?“
„Er schickt mich nicht ins Dorf, er hat mich weggeschickt.“
„So, also davongejagt. Was hast du verbrochen?“
„Ich habe nichts verbrochen.“
„Warum musstest du dann gehen?“ Je länger das Gespräch dauerte, desto weniger barsch kam Ursula die Stimme des Mönches vor.
„Weil sie sagen, ich wäre in der Hoffnung.“
„Und bist du es?“
„Ich weiß nicht, ich glaube ja.“
„Hast du bei einem Mann gelegen?“
„Ja.“
„War es dein Mann?“
„Nein, ich habe keinen Mann, ich hoffte, er würde mich zur Frau nehmen.“
„Will er nicht?“
„Nein, die Bauersleut sind dagegen.“
„Hm.“ Der Mönch schien zu überlegen. „Komm“, sagte er nach einer Weile. „Pack dein Zeug und komm.“
Schnell raffte Ursula ihre Sachen zusammen, schulterte Tasche und Schlauch und eilte hinter dem Mönch her. Draußen war es schon hell, und noch immer fiel leichter Niesel. Der Gottesmann ging um die kleine Kirche herum. Am Ende des Baus lehnte sich ein
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