Die Kreuzfahrerin
eine nickte dem anderen zu. „Hast du einen Schein für dich und die Deinen?“
„Ja gewiss“, antwortete Lothar und winkte Karl herbei. Der zog eine lederne Mappe aus seinem Wams und holte ein Pergament heraus, das einer der Soldaten aufmerksam musterte. „Zwei Mannsleut und ein Weib, steht da. Und wer ist die da?“ Der Wächter deutete auf Ursula.
„Eine Magd, die sich uns unterwegs angeschlossen hat. Ein harmloses Mädchen.“
„Ohne Freischein kann ich sie nicht in die Stadt lassen. Das weißt du. Wo kämen wir da hin, alle Mägde und Knechte würden hier unterkriechen wollen, um ihre Herren loszuwerden. He, hast du einen Brief von deinem Herrn?“
Ursula schüttelte den Kopf.
„Dann geh dorthin, wo du hingehörst. Los, weiter jetzt, ihr haltet alle auf.“
Ursula war bestürzt. Doch Lothar wusste sie zu beruhigen. „Mädel, keine Angst. Wir finden schon einen Weg. Wir bringen jetzt erst unseren Wagen rein, und später wird Karl mit den Pferden zurückkommen. Sie in der Stadt unterzustellen kostet Geld, und Karl ist lieber mit ihnen draußen auf dem Felde. Setz dich ans Ufer und warte, bis er kommt. Dann sehen wir weiter.“
Ursula nickte, verabschiedete sich von Ruth und machte kehrt. Traurig verließ sie die Brücke. Doch noch wollte sie nicht verzagen. Karl würde kommen, und vielleicht würde sich ein Weg finden. Sie trat ans Ufer und wurde sich jetzt erst ihrer Umgebung bewusst. Vor ihr floss die Donau dahin. Noch nie zuvor hatte sie so viel fließendes Wasser gesehen. Aus Erzählungen hatte sie gewusst, ein Fluss ist viel größer als ein Bach, aber das hatte sie sich so nicht vorstellen können. Fast geräuschlos schoben sich die Wassermassen an ihr vorbei. „Woher kann nur so viel Wasser kommen?“, fragte sie sich jetzt. „Und wo fließt das alles hin?“ Am Ufer auf der anderen Seite konnte sie Frauen sehen, die Wäsche wuschen. An ihrem Ufer waren einige Feuer und eine ganze Anzahl von Zelten. Sie war wohl nicht die einzige, die zurückgewiesen worden war. Sie setzte sich auf einen Stein nahe eines Feuers und schaute weiter fasziniert auf das Wasser. Ein Mann in einem Kahn kam vorbei, der mit kräftigen Ruderzügen dem anderen Ufer zustrebte. Wie das Boot übers Wasser glitt und dabei nicht vom Strom mitgerissen wurde! Ursula wurde die Zeit lang, und sie sah sich weiter um. Nicht weit von ihr kauerte ein älterer Mann bei so einem Kahn und war dabei, ein Netz zu entwirren. Ursula beobachtete ihn. Er benutzte meist nur eine Hand, und die andere, eingewickelt in einen braunen Lumpen, schien ihn zu schmerzen. Als der Mann eine Verwicklung gar nicht lösen konnte, sprang Ursula hinzu und griff ihm helfend in das Netz. Es roch seltsam. Der Mann schaute sie erst sprachlos an, dann, als sich der Knoten im Netz mit ihrer Hilfe löste, ließ er die Hand sinken. „Danke“, sagte er schlicht. Und dann misstrauisch: „Was willst du?“
Ursula wusste darauf nicht gleich eine Antwort.
„He? Kannst du nicht sprechen? Du hast mich schon eine ganze Weile beobachtet. Das hab ich gemerkt. Also, was willst du von mir?“
„Nichts.“ Ursula fand ihre Sprache wieder. „Ich sah nur, dass du nicht weiterkommst, und wollte helfen.“
„Das hast du ja. Danke dafür.“ Der Mann machte Anstalten, weiter am Netz zu zerren. Ursula war aber neugierig. „Was ist mit deiner Hand?“
„Was geht es dich an?“, blaffte der Alte zurück. „Ein Geschwür hab ich dran, und das will nicht heilen.“
„Zeig her“, forderte Ursula bestimmt. Der Mann schaute sie fragend an.
„Was willst du da sehen? Du kannst das auch nicht ändern.“
„Vielleicht kann ich dir helfen.“ Ursula ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich kenne die Kräuter, und gegen alles ist eines gewachsen. Vielleicht kann ich dir etwas geben, damit es heilt.“
„So, kräuterkundig, hä?“ Der Alte war noch nicht überzeugt. Aber Ursulas fester Blick, der seinem standhielt, ließ ihn wanken.
„Da, schau“, murrte er schließlich und zerrte den Lumpen von der Hand. Die ganze Hand und die Finger waren dick geschwollen, und dort, wo es Schorf und Dreck zuließen, konnte Ursula eine starke Rötung unter der Haut erkennen. Am Ballen unterhalb des Daumens war eine dicke, gelbliche Beule. Ursula musste an Ludgers Fuß denken und überlegte nicht lange. „Ich glaube, ich weiß, was zu machen ist“, sagte sie zu dem Alten. „Hast du Wasser und ein Gefäß, um es zu erhitzen?“
Erstaunt über ihren Eifer wies der Mann zum
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