Die Kreuzfahrerin
Feuer. Und gab ihr einen Wasserschlauch, der neben ihm im Kahn lag. Am Feuer stand ein eiserner Topf mit kleinen Füßen dran. Ursula schüttete Wasser hinein und stellte ihn in das Feuer. Dann kehrte sie zu dem Mann zurück. „Hast du einen sauberen Lappen?“, fragte sie ihn.
Er schaute sich beinahe verzweifelt um. „Nein, hab ich nicht. Was hast du mit mir vor?“ In seiner Stimme schwang Unsicherheit.
„Ich muss die Hand säubern. So kann das nicht heilen.“ Ursula hielt inne und überlegte. Dann griff sie unter ihren Rocksaum und riss von ihrem Unterkleid zwei Stoffstreifen ab.
„Wenn du das immer so machst, wirst du bald ohne Kleider dastehen.“ Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. Ursulas Tatendrang und Bereitschaft, etwas zu tun, ließen sein Misstrauen schwinden.
Als das Wasser zu sieden begann, holte Ursula aus ihrer Tasche das Säckchen mit getrockneter Weidenrinde und Blättern. Sie gab einige Blätter und ein Stück Rinde in den Topf. Nach einer Weile hob sie das Gefäß vom Feuer und kehrte zu dem Mann zurück. Sie tauchte den Stoff in das Wasser und begann, vorsichtig die Hand zu säubern. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie all das verkrustete Blut, den Eiter und Schmutz abgeweicht hatte. Schließlich betupfte sie vorsichtig die gelbe Beule. Der Mann zuckte zusammen. Ursula griff beherzt seinen Unterarm und hielt die Hand so in ihrem Schoß. Dann betastete sie das Geschwür. Es war prall gefüllt, und die Haut darüber gab nur wenig nach. Ursula sah den Mann, der schweigend all ihr Tun verfolgt hatte, an. „Ich muss das da öffnen.“ In den Augen des Mannes zeigte sich etwas Angst und Unglaube. „Was willst du? An mir rumschneiden? Nein, das kommt mir nicht in Frage.“
„Hast du Angst?“, provozierte Ursula ihn.
„Angst? Ich? Nein.“
„Dann lass dir helfen. Ich werde nicht schneiden, sondern nur eine kleine Öffnung schaffen, damit all die schlechte Flüssigkeit ablaufen kann.“
Ursula kramte aus ihrer Tasche das Lederetui mit Esters Werkzeugen hervor. Sie breitete das Leder neben sich auf einem Stein aus. Angesichts dieser Instrumente fasste der Alte wieder Vertrauen. Das Mädchen schien ihr Geschäft zu verstehen. Willig legte er seinen Arm wieder zurück auf Ursulas Bein. Ursula tauchte das kleine Messerchen in das heiße Wasser, dann machte sie, eh sich’s der Mann versah, einen kleinen tiefen Schnitt in die Beule. Ursula war über die Schärfe der Klinge selber erstaunt und wie leicht sie durch die Haut drang. Zum Wundern blieb ihr aber keine Zeit. Gleich schoss aus der Beule ein gelber Strahl, und das Sekret verbreitete augenblicklich einen üblen Geruch. Ursula beeilte sich, die Wunde mit dem Stoff zu säubern und den Eiter wegzuwischen. Als der Fluss versiegte, drückte sie den Ballen so, dass auch der Rest aus dem Geschwür gepresst wurde. Der Alte schnaufte, biss aber tapfer die Zähne zusammen. Als auf weiteres Drücken nur noch etwas Blut und Wasser hervortrat, schaute sich Ursula die Wunde genauer an. In Ludgers Fuß hatte ein abgebrochener Dorn gesteckt, vielleicht war auch hier etwas dergleichen die Ursache. „Seit wann hast du das?“, fragte sie den Alten.
„Schon einige Wochen. Ich habe mich an einem Haken gestochen, und dann fing es an“, antwortete er.
Ursula tupfte die Wunde vorsichtig sauber und zog sie dabei etwas mit Daumen und Zeigefinger auseinander. Sie meinte, etwas zu sehen, und griff nach der kleinen schlanken Zange, die auch Ester damals benutzt hatte. „Halt still!“, befahl sie dem Mann. Vorsichtig führte sie das Instrument in die Wunde und presste die Enden feste zusammen, als sie meinte, das was sie gesehen hatte, greifen zu können. Mit einem kleinen Ruck zog sie die Pinzette zurück. Triumphierend zeigte sie dem Alten den eisernen Widerhaken, den sie da aus seinem Fleisch gezogen hatte. Der Mann war jetzt etwas blass, und Ursula beeilte sich, die Wunde zu Ende zu versorgen. Sie tupfte die ganze Hand noch einmal mit dem Weidensud ab, strich dann etwas Salbe aus Talg und den orangenen Blüten aus dem Garten auf und legte zuletzt das eingeweichte Stück Rinde über die Wunde. Dann verband sie die Hand mit dem sauberen, zweiten Stoffstreifen. „Halte die Hand sauber und lass den Verband nicht nass werden“, ermahnte sie den Mann. Dann begann sie, ihre Sachen zu säubern, und verstaute alles wieder in ihrer Tasche.
„Du bist wirklich kundig“, sagte der Alte nach einer Weile. „Bist du eine Heilerin?“
„Nein“,
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