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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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achten, wohin sie trat. Überall hörte sie Stimmen und Geräusche von Tieren. Kinder schrien, Gänse schnatterten, und irgendwo quiekte eine Sau. Es war viel lauter als auf dem Hof oder im Dorf. Gewissenhaft folgte sie der Beschreibung Jakobs und gelangte auf die breitere Gasse. Je tiefer sie in die Stadt vordrang, desto enger schienen ihr die Häuser beieinander zu stehen. Teilweise hatten sie mehr als ein Stockwerk, und als sie nach dem Ende der Gasse schaute, sah sie einen großen Turm in den Himmel ragen. Sie musste sich aber sputen, die Dämmerung ließ es zwischen den Häusern schnell dunkel werden. Schließlich gelangte sie an den kleinen Platz und sah die beiden Häuser. Doch sie zögerte. Sollte sie nicht doch lieber versuchen, den Marktplatz zu finden und zu Lothar und Ruth gehen? Die Dunkelheit der Gassen machte ihr jedoch wenig Mut. Also fasste sie sich ein Herz und klopfte an die Türe des wirklich recht schiefen Hauses. Nach einer Weile hörte sie Schritte, und die Tür wurde aufgerissen. Vor ihr stand eine Frau, die etwa einen Kopf kleiner als sie war, doch gleichzeitig üppig rund wie ein Wasserkrug.
    „Was willst du?“, herrschte sie Ursula an.
    „Der Fischer Jakob schickt mich“, antwortete Ursula kleinlaut.
    „Ja? Und? Hast du einen Fisch zu bringen oder eine Nachricht?“,
    „Nein, ich bin neu in der Stadt, und er sagte, ich soll mich an Hilde wenden.“
    „Ach, was erzählst du da? Was sind das für Flausen, die der alte Jakob hat. Ich habe doch keine Herberge, zu der er jeden schicken kann.“
    Ursula wusste nicht, was sie noch sagen sollte, und sah die Frau erwartungsvoll an.
    Die wackelte mit dem Kopf. „Auf, komm schon rein, oder willst du die ganze Nacht da stehen?“, sagte sie plötzlich und trat beiseite. „Na komm schon. Ich beiße nicht.“
    Ursula trat an der Frau vorbei in die Stube. Das niedrige Gebälk des Raumes war rußgeschwärzt, Licht gaben das sich an einer Wand aus Steinen befindliche Herdfeuer und zwei Talglichter, die auf dem Tisch standen. Rechts und links vom Tisch standen zwei einfache Holzbänke, auf denen Ursula jetzt zwei Gestalten entdeckte, die einander gegenübersaßen: eine junge Frau und ein Mann.
    „Das da ist Adele, und der Kerl heißt, glaube ich, Daniel“, meldete sich die kleine Frau hinter ihr. „Ich bin Hilde. Und wer bist du?“
    „Ursula.“
    „Na, dann setz dich, Ursula.“ Hilde schob sie zur Bank, und Ursula legte folgsam ihre Sachen ab und setzte sich. Kaum dass sie die Bank unter ihrem Hintern spürte, stellte Hilde einen Becher und einen hölzernen Teller mit Eintopf vor sie hin.
    „Hier, stärke dich erst einmal, bevor du mir gleich all meine Fragen beantworten wirst“, sagte die resolute Person, und Ursula wunderte sich, wie sie das bei ihrer Fülle so rasch bewerkstelligt haben mochte. Hilde setzte sich ihr gegenüber. „Na los, zier dich nicht. Meine Küche ist auch nicht schlechter als anderswo“, sagte sie und grinste ihren Gast an. Ursula konnte nicht anders, als dies selbst mit einem Lächeln zu beantworten. Die Frau war barsch in ihrem Umgangston, doch was sie sagte, stand im Gegensatz zu dem, was Ursula ihr gegenüber zu spüren meinte. Innerhalb kürzester Zeit hatte Hilde einen Weg in ihr Herz gefunden, ohne dass sich beide wirklich kannten. Doch Ursula fühlte sich sicher und vertraute Hilde schon jetzt.
    Sie begann zu essen. Schon nach dem ersten Löffel merkte sie, wie hungrig sie doch war. Im Becher war ein lauwarmer Sud, den sie sofort als Aufguss ihr vertrauter Kräuter erkannte. Schweigend sahen Hilde, Adele und Daniel ihr beim Essen zu.
    „Ja, habt ihr denn nichts Besseres zu tun?“, schalt Hilde die beiden. „Habt ihr noch nie einen Menschen essen sehen? Ich denk, ihr habt eure eigenen Geschäfte, oder?“
    Darauf standen die beiden auf und verschwanden in der Tiefe des Raumes hinter einer aufgehängten Decke. Ursula war noch nicht ganz fertig mit ihrem Teller, da hörte sie von dort hinten das Kichern der Frau, Geflüster und wenig später Geräusche, die sie an Ludger erinnerten. Ursula wurde rot. Hilde sah sie an, und ihr Grinsen wurde noch breiter.
    „Nun erzähl mal“, sprach sie Ursula an, als diese am letzten Bissen kaute. „Warum kommt der alte Jakob auf die Idee, dich zu mir zu schicken?“
    Ursula erzählte, wie sie dem Fischer geholfen hatte, und auch, wie die Wachen sie abgewiesen hatten.
    „Und wo kommst du her?“, wollte Hilde nun wissen.
    „Aus dem Westen.“ Ursula hatte sich an diese

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