Die Kreuzfahrerin
Siebensachen packen“, sagte er und machte sich davon.
„Ist denn jetzt alle Welt verrückt geworden?“ Hilde setzte sich auf eine der beiden Stangen des Karren, zwischen die man ein Zugtier binden konnte. „So, und was machen wir? Lass mal sehen. Wir haben einen Tisch, eine Bank, einen Schemel, Strohsäcke, Decken, eine Pfanne, einen Kessel, einen Sack Hafer, ein paar Töpfchen Salben, einige Säckchen Kräuter, unsere Kleider, Stangen, eine Plane, meine Börse und eine Magd, die dreinschaut, als würde jeden Moment die Welt untergehen. Und obendrein haben wir noch jede Menge Brennholz.“
Auffordernd sah sie Ursula an. „Ursula, he, wach auf. Du lebst noch und hast deine Sachen. Es ist nicht zu Ende. Als du zu mir kamst, hattest du weniger.“
Ursula sah Hilde in die guten Augen. „Vielleicht ist das alles meine Schuld“, sagte sie und entlockte Hilde damit ein kurzes bitteres Lachen. „Ja, natürlich. Du warst der Engel, der dem Einsiedler den Brief gab, und du hast dem Papst gesagt, er solle all die armen Teufel auf Pilgerfahrt schicken, ja? Ursula, red’ nicht so einen Unfug. Ja, das Haus ist dahin. Aber vielleicht ist es auch gut so. Vielleicht sollten wir uns wirklich dem Pilgerzug anschließen. Wenn ich auch nicht glaube, dass ich Jerusalem befreien kann, so weiß ich aber, ich kann bei so einer Wanderschaft auch auf meine Kosten kommen. Ursula, wir verstehen uns auf Kräuter, und darüber hinaus haben wir auch noch andere Ware. Wir haben einen Karren, und ein Zugtier wird sich auch finden lassen. Wenn wir uns das Kreuz an die Brust heften, dann sind du und ich schon so gut wie all unsere Sünden los. Und wer weiß, vielleicht ist der Osten ja wirklich so reich, wie die Leute erzählen.“
Ursula hatte aufgehorcht. „Ja, Hilde, ich möchte all meine Sünden loswerden.“ Der Gedanke, all die Schuld und Sünde, die sie sich in den letzten Monaten angedacht hatte, könnten von ihr genommen werden, stachelte sie an. „Was meinst du, Hilde, vielleicht ist es ein Zeichen, schau, wir haben ja bereits alles für den Weg gepackt.“
Der fanatische Ausdruck in Ursulas Augen gefiel Hilde nicht. Die Idee, das alles hier hinter sich zu lassen, war ihr aber recht. Kurz entschlossen stand sie auf. „Pass auf. Ich gehe noch einmal los, mich umhören. Außerdem brauchen wir etwas zu essen. Ich will schauen, was ich auftreiben kann“, sagte sie und setzte ihren Körper mit den kurzen stämmigen Beinen in Bewegung. Ursula sah ihr verwundert nach.
Ursula schöpfte Hoffnung. Vielleicht war das wirklich die Gelegenheit für einen Neuanfang, dachte sie bei sich. „Wenn Gott uns vergibt, können wir ein neues Leben beginnen.“ Und sie malte sich aus, irgendwo anders mit Hilde in einem kleinen Haus zu leben, Kräuter zu sammeln und mit ihrem Wissen genug zu verdienen, um davon leben zu können.
Es dauerte lange, bis Hilde zurückkam, und Ursula hing ihren Träumen nach. Hilde war mit einem Korb und einem Sack beladen. „So, das dürfte für die nächsten Tage reichen“, sagte sie und stellte ihre Last vor Ursulas Füße. „Ich habe Mehl, Wurzeln und Lauch. Morgen bekommen wir auch noch zwei Hühner und Fisch. Außerdem habe ich noch Hafer und andere Körner zum Breikochen, gesalzenes Fleisch, ein Säckchen Salz. Die Brücke und das Ufer sind nach wie vor besetzt. Aber eine ganze Menge Pilger haben sich bereits wieder auf den Weg gemacht. Es war nicht leicht, jemanden zu finden, der noch etwas zu normalen Preisen abgab. Aber Gott sei Dank haben wir viele Freunde in der Stadt.“ Sie zwinkerte Ursula zu. „Der alte Jakob hat sich angeboten uns zu helfen. Er wird uns mit seinem Kahn über den Fluss bringen. Wir werden unseren Karren nachher zum Fluss runterziehen. Wir können die Nacht bei Jakob und seinen Leuten in einer Scheune verbringen. Du hast übrigens mit Jakobs Hand ein Wunder vollbracht. Sie ist wieder ganz heil, und Jakob lobt dich in den höchsten Tönen.“
Ursula freute sich, das zu hören, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.
„Möchtest du auch ein Stück Brot?“ Hilde reichte ihr einen Laib frisches Brot. Sie hatte scheinbar an alles gedacht. Ursula schnitt sich eine Scheibe ab und begann gleich genüsslich zu kauen. Erst jetzt merkte sie, dass sie seit dem Morgen nichts mehr zu sich genommen hatte.
Nachdem sie in Ruhe gegessen hatte, verstauten sie die Vorräte auf der Karre, löschten das Feuer und zogen los. Es war gar nicht so schwer wie befürchtet. Zu ihrem Glück fielen die
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