Die Kreuzweg-Legende
schon die dämonischen Gesetze, die zumeist der Teufel persöhnlich geschrieben hat. Ich bin ihm oft genug begegnet. Er ist die Reinkarnation des Bösen, und er findet immer wieder Menschen, die gern zu seinen Diensten stehen und ihm hörig sind.«
St. Immel zeigte sich erstaunt. »Sie kennen den Teufel?«
»Ja.«
»Wie sieht er aus?«
Es war eine Frage, die ich schon öfter gehört hatte. Ich erklärte dem Pater in knappen Sätzen, daß der Satan eigentlich kein bestimmtes Aussehen besaß. »Er kann in verschiedenen Gestalten auftreten. Als Frau, als Jüngling, als Kind, als Tier, aber auch so, wie ihn die Menschen des Mittelalters gesehen haben. Mit Klumpfuß und einer dreieckigen Fratze, aus der das Böse leuchtet.«
Der Pater war bei meinen Erzählungen immer blasser geworden. Als ich geendet hatte, sagte er: »Jetzt brauche ich einen Schnaps. Der Pfarrer hat ihn immer selbst gebrannt. Ich weiß auch, wo er steht.«
»Ich nehme auch einen.«
Die Flasche war hinter dicken Büchern versteckt. Zwei Gläser fanden sich ebenfalls, und ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Dinge wie diese machten auch Geistliche irgendwie menschlich. Sie kamen mir wie ein kleiner Sonnenstrahl in dieser trüben Zeit vor. St. Immel schenkte ein und sprach dabei. »Wissen Sie eigentlich, wie wir die Frauen schützen können?«
»Wie viele sind es denn?«
Der Pater winkte ab. »Wenn ich an die jüngeren denke, vielleicht acht oder elf.«
»Dann müßten sie in einem Raum des Dorfes zusammenkommen.«
»Das wäre nicht schlecht.« Er schob mir das bis unter den Rand gefüllte Glas zu.
»Wie haben die Bewohner eigentlich reagiert, als Sie ihnen von dem Reiter berichteten?«
Der Pater winkte ab. »Zunächst ungläubig, dann aber ängstlich. Viele kennen die Kreuzweg-Legende. Noch heute traut sich niemand an die Stelle, wo man damals vor einigen hundert Jahren den Reiter aufgehängt hat. Der Ort ist verflucht. Nachts läßt sich da niemand blicken.«
»Ich würde ihn mir schon gerne ansehen.«
»Dann müßten Sie Szetisch verlassen«, gab der Pater zu bedenken.
»Das ist es ja eben.«
St. Immel hob sein Glas. »Kommen Sie, Mr. Slinclair, ein Schluck tut gut.« Der Mönch kippte den Schnaps, während ich vorsichtiger war, denn mit Selbstgebrannten Alkoholika hatte ich meine schlechten Erfahrungen gesammelt. Das waren regelrechte Rachenputzer geworden. Deshalb trank ich sehr vorsichtig.
Schon beim ersten kleinen Schluck begann mein Mund zu brennen. Beim nächsten mußte ich noch mehr achtgeben, dann kippte ich das Zeug mit einem Ruck in die Kehle, atmete keuchend und schaute auf den Pater, der mir lächelnd zusah. Dessen Glas war leer. Er hatte es neben sich gestellt.
»Ist Ihnen nicht gut, Mr. Sinclair?«, fragte er besorgt.
»Doch, doch«, ächzte ich. »Ich hätte nur etwas…«
Marcus St. Immel sprang plötzlich hoch. Von einem Augenblick zum anderen war sein Blick starr geworden. Er hatte den Kopf in Richtung Tür gedreht und eine gespannte Haltung eingenommen.
»Was ist geschehen?«
»Haben Sie nichts gehört, Mr. Sinclair?«
»Nein.«
»Da war ein Geräusch. Ähnlich wie ein Fall.« Ich räusperte mich noch einmal und wollte wissen, ob noch andere Personen im Haus waren.
»Nicht daß ich wüßte.«
Ich wollte den Mönch nicht unnötig beunruhigen, drückte mich in die Höhe und enthielt mich eines Kommentars. Statt dessen ging ich zur Tür. Sie war nicht geschlossen, aber ich mußte den Spalt erweitern, um den Flur betreten zu können.
Auch dort brannte Licht. Deshalb konnte ich bis zu seinem Ende schauen und auch dahin, wo sich die Tür zum Totenzimmer befand. Sie wurde geöffnet.
Hinter mir hörte ich St. Immeis Stimme. »Nein, das ist nicht möglich…«
Es war möglich.
Die Gestalt, die über die Schwelle torkelte, war der tote und scharz verbrannte Pfarrer…
***
Es war dunkel geworden!
Voll stand der Mond am Himmel. Sein glanzloses Licht gab den Geschöpfen Kraft, die von der Nacht und der Finsternis lebte. Der Schein streichelte die Spitzen der Berge, fiel auf die dicht belaubten Kronen der Bäume und erreichte ebenfalls die einsam und verstreut liegenden Täler.
Auch die Trümmer der alten Burg ließ er nicht aus. Zwischen ihnen herrschte eine ungewöhliche Stimmung. Es schien so, als wäre die Luft elektrisch aufgeladen.
Das war sie nicht. Die Aura des Teufels, von dem unheimlichen Reiter ausgehend, hatte sich ausgebreitet und dieser Gegend ihren Stempel aufgedrückt.
Durch das
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