Die Kreuzzüge
Gottes wurden wir aus all diesen Schrecknissen befreit und konnten entfliehen.« Erschöpft und hungrig langten die Franzosen um den 20. Januar an der Küste an. Man war zunächst unschlüssig, welchen Weg man nun nehmen sollte, doch dann beschloss Ludwig, sich per Schiff mit einem Teil seines Heeres nach Syrien zu begeben. Den Kreuzfahrern, die zurückgelassen wurden, sagte man byzantinische Hilfe zu, allerdings verhungerten dann die meisten, oder sie wurden bei Angriffen der Türken getötet. Der französische König traf im März des Jahres 1148 in Antiochia ein. Gleichzeitig beschloss Konrad, der sich mittlerweile in Konstantinopel wieder erholt hatte, ebenfalls, seine Reise zu Schiff zu beenden, und segelte nach Akkon.
Die Teilnehmer am zweiten Kreuzzug, die auf dem Landweg in den Vorderen Orient noch stolz gehofft hatten, dem »Heldenmut« ihrer Vorfahren nachzueifern, waren vernichtet; Tausende waren desertiert, verhungert oder in der Schlacht gefallen. Die Unternehmung war gescheitert, noch bevor sie das Heilige Land erreicht hatte. Viele gaben den Griechen die Schuld an dieser schrecklichen Niederlage und warfen ihnen Treulosigkeit und Verrat vor. Doch obwohl es zutraf, dass Kaiser Manuel die beiden Könige nur begrenzt unterstützt hatte, war es doch letztlich der Leichtsinn der Lateiner angesichts der gestiegenen türkischen Aggression, der zur Katastrophe geführt hatte. Wilhelm von Tyrus bemerkte zur vollständigen, schmachvollen Niederlage der Deutschen und der Franken, dass die »einst so viel gepriesene Tapferkeit« der Kreuzfahrer [243] nun in Scherben lag. »Von da an«, so Wilhelm, »war sie nur noch ein Witz in den Augen jener unreinen Völker, für die sie vormals ein Grauen gewesen war.« Ludwig und Konrad waren schließlich in der Levante angekommen; die Frage war nun, ob sie mit ihren empfindlich geschwächten Streitkräften überhaupt noch hoffen konnten, irgendetwas Entscheidendes auszurichten und das Kreuzzugsfeuer neu zu entfachen. 11
ZWEITER TEIL
DIE ANTWORT DES ISLAMS
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[247] WIEDERERWACHEN DES ISLAMS
I n dem halben Jahrhundert seit der Ankunft des ersten Kreuzzugs hatte sich kaum etwas ereignet, das auf eine geschlossene oder entschiedene muslimische Reaktion auf die Eroberung des Heiligen Landes durch die Christen hingedeutet hätte. Jerusalem – die drittheiligste Stadt in der muslimischen Welt nach Mekka und Medina – war nach wie vor in lateinischer Hand. Und nach wie vor standen sich der Irak und Syrien, wo die Sunniten herrschten, und das schiitische Ägypten unversöhnlich gegenüber. Abgesehen von gelegentlichen muslimischen Siegen, vor allem dem Sieg auf dem Blutfeld im Jahr 1119, war das frühe 12. Jahrhundert von fränkischer Expansion und Aggression geprägt. In den 1140er-Jahren jedoch hatte es den Anschein, als sollte das Blatt sich wenden, als Zangi, der Atabeg von Mosul und Aleppo, und seine Familie, die Dynastie der Zangiden, die Fackel des Dschihads übernahmen.
ZANGI, VORKÄMPFER DES ISLAMS
Die Eroberung Edessas durch Zangi im Jahr 1144 war ein Triumph für den Islam – eine muslimische Chronik spricht vom »Sieg der Siege«. Als seine Truppen die Stadt am 24. Dezember stürmten, gestattete der Atabeg ihnen zunächst, nach Belieben zu plündern und zu töten. Nach dieser ersten Welle der Gewalt jedoch änderte er sein Vorgehen dahingehend, dass er – in einer zumindest für seine Verhältnisse recht moderaten Form – die Franken zwar leiden ließ (alle Männer wurden abgeschlachtet und die Frauen als Sklavinnen mitgenommen), die überlebenden Ostchristen jedoch verschonte und ihnen gestattete, in ihren Häusern zu bleiben. Ebenso wurden die lateinischen Kirchen zerstört, aber die armenischen und syrischen Gotteshäuser blieben unangetastet. [248] Außerdem wurde sorgfältig darauf geachtet, dass die Beschädigungen der Festungsanlagen Edessas sich in Grenzen hielten, und man begann umgehend mit dem Wiederaufbau der in Mitleidenschaft gezogenen Abschnitte der Mauern. Zangi wusste um die strategische Bedeutung seiner Neuerwerbung, und er sorgte dafür, dass die Stadt auch weiterhin bewohnt und verteidigt werden konnte.
Da Edessa nun in seinem Besitz war, konnte er auf einen breiten zusammenhängenden Landstreifen syrischen und mesopotamischen Territoriums von Aleppo bis Mosul hoffen. Und für die muslimische Welt schien seine verblüffende Leistung eine neue Ära anzukündigen, in der es vielleicht sogar gelingen würde, die Franken wieder aus der Levante
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