Die Kreuzzüge
muslimischen Glaubensbrüder. Zu Beginn des Jahres 1146 machte das Gerücht die Runde, Zangi bereite eine weitere Offensive gegen Syrien vor. Es wurde mit der Herstellung von Belagerungswaffen begonnen, die nach der offiziellen Version für den Dschihad eingesetzt werden sollten, doch ein Chronist aus Aleppo gab zu, dass »einige Leute annahmen, er wolle eigentlich Damaskus angreifen«.
Zangi war nun 62 Jahre alt und erfreute sich immer noch einer bemerkenswert robusten Gesundheit. In der Nacht des 14. September 1146 jedoch, während der Belagerung der muslimischen Festung Qalat Jabar am Ufer des Euphrats, fiel er einem plötzlichen, unerwarteten Anschlag zum Opfer. Die Einzelheiten des Attentats sind unklar. Es heißt, dass Zangi sehr viele aufmerksame Leibwächter hatte, die ihn vor Mördern schützen sollten, doch wurden diese offenbar alle irgendwie umgangen, und der Atabeg wurde in seinem eigenen Bett überfallen. Später äußerten viele den Verdacht, ein für zuverlässig gehaltener Eunuch, Sklave oder Soldat habe die Tat begangen, und es konnte kaum überraschen, dass das Gerücht aufkam, der Anstoß zu der blutigen Tat sei von Damaskus ausgegangen. Die Wahrheit wird sich wohl nicht mehr ermitteln lassen. Ein Wächter, der den schwer verwundeten Zangi fand, schildert die Szene:
Ich ging zu ihm, als er noch am Leben war. Als er mich sah, dachte er, dass ich gekommen war, ihn zu töten. Flehentlich gestikulierte er mit seinem Zeigefinger in meine Richtung. Ich blieb ehrfürchtig stehen und fragte: »Mein Herr, wer hat Euch das angetan?« Er aber konnte nicht mehr sprechen und starb unmittelbar danach. (Gott sei ihm gnädig.) 2
Die stürmische Laufbahn des wilden, immer ehrgeizigen Kriegsherrn war abrupt zu Ende gegangen. Zangi, der Herr von Mosul und Aleppo, der Eroberer von Edessa, war tot.
Aufstieg des Emirs Nur ad-Din
Der Tod Zangis war eine schmachvolle Angelegenheit. Entsetzt über das Geschehen waren nicht einmal seine Verwandten in der Lage, den Verstorbenen zu ehren: Die Leiche des Atabeg wurde ohne Zeremonie begraben, [251] »seine Geldvorräte und Schatzhäuser geplündert«. Die gesamte Aufmerksamkeit richtete sich stattdessen auf die Frage, wer nun die Macht übernehmen würde.
Zangis Erben handelten schnell: Sein ältester Sohn, Saif ad-Din, beanspruchte Mosul für sich – ein Hinweis darauf, dass Mesopotamien noch immer als die eigentliche Wiege des sunnitischen Islams galt; der jüngere Sohn, Nur ad-Din Mahmud, begab sich gleichzeitig in den Westen, um die Herrschaft über die syrischen Gebiete seines Vaters anzutreten. Diese Teilung von Zangis Herrschaftsbereich hatte schwerwiegende Konsequenzen. Ohne größere Interessen am Irak konnte sich Nur ad-Din, der neue Emir von Aleppo, auf die Vorgänge in der Levante konzentrieren, eine wahrscheinlich bessere Voraussetzung, um die Ziele des Dschihads zu verfolgen. Gleichzeitig war allerdings sein syrisches Reich dadurch geschwächt, dass es keinen Zugang zum Wohlstand und zu den Ressourcen des Fruchtbaren Halbmonds gab.
Nur ad-Din kam an die Macht, als er ungefähr 28 Jahre alt war. Er wurde beschrieben als »ein großer, dunkelhäutiger, bärtiger Mann mit hoher Stirn und angenehmer Erscheinung, die durch schöne, schmelzende Augen noch gesteigert wurde«. In späteren Jahren sollte er eine Machtfülle erlangen, die sogar die seines Vaters übertraf. Er entwickelte sich zum meistgefürchteten und respektierten muslimischen Gegner der lateinischen Christenheit im Vorderen Orient – ein Herrscher, der die Sache des islamischen heiligen Krieges voranbrachte und mit neuer Energie erfüllte. Sogar Wilhelm von Tyrus konnte nicht umhin, ihn »nach den abergläubischen Traditionen seines Volkes« als »weisen, klugen Mann« zu beschreiben, »der Gott fürchtete«. Aber im Jahr 1146 war die Position des Emirs noch gefährdet, und die Aufgabe, die vor ihm lag, war allem Anschein nach nicht zu bewältigen. 3
Nach dem Attentat versank Syrien im Chaos. Wie despotisch Zangis Regime war, trat jetzt darin zutage, dass in weiten Gebieten der muslimischen Levante die nackte Anarchie ausbrach. Sogar ein Zeitgenosse in Damaskus gab zu, dass »sämtliche Städte sich in Aufruhr befanden, die Straßen waren nach einer angenehmen Periode der Sicherheit wieder gefährlich«. Da Nur ad-Din sein Recht und seine Fähigkeit zu herrschen noch nicht unter Beweis gestellt hatte, orientierten sich einige von Zangis treuen Hauptleuten um. Unter dem Druck Unurs, des
Weitere Kostenlose Bücher