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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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allerdings diese Propaganda wörtlich nimmt, der übersieht, was Nur ad-Din im Jahr 1149 mit dieser Strategie tatsächlich beabsichtigte: Es ging ihm um Damaskus. Der weitere Verlauf der Ereignisse sollte zeigen, dass es durchaus Nur ad-Dins Absichten entsprach, Antiochia in den schwachen Händen der Franken zu belassen: So war die Stadt im Spiel der levantinischen Kräfte als Bedrohung neutralisiert, und das lateinische Fürstentum konnte als nützlicher Pufferstaat zwischen Aleppo und dem griechischen Byzanz herhalten. Eigentlich ging es Nur ad-Din in diesen frühen Jahren seiner Herrschaft immer um die Eroberung von Damaskus.
    Die Ereignisse im August 1149 erweckten zunächst ganz den Anschein, als böte sich für Nur ad-Din nun die perfekte Gelegenheit, seinen Einfluss im muslimischen Syrien weiter auszudehnen. Nach einer besonders deftigen Mahlzeit »lösten« sich bei Unur von Damaskus, seinem zeitweiligen Verbündeten und Rivalen, »plötzlich die Gedärme«, was sich zu einer auszehrenden Diarrhö-Attacke entwickelte. Ende des Monats war Unur tot, und in Damaskus brach ein chaotischer Machtkampf aus. Allerdings lösten sich für Nur ad-Din alle Hoffnungen, von dieser Situation [268] profitieren zu können, in Luft auf, als ihn die Nachricht von einem zweiten Todesfall erreichte: Sein älterer Bruder, Saif ad-Din, war am 6. September gestorben. Nur ad-Din eilte in den Irak und versuchte für kurze Zeit, sich die Herrschaft über Mosul zu sichern, versöhnte sich dann aber widerwillig mit seinem jüngeren Bruder, dem designierten Erben Qutb ad-Din Maudud. Vorerst musste Nur ad-Din die Chance, in Damaskus das Ruder zu übernehmen, ungenutzt verstreichen lassen. Die geschwächten Buriden blieben an der Macht, doch sollte es nicht lange dauern, bis sich der Blick von Nur ad-Din wieder von Aleppo aus nach Süden richtete. 4
    DIE STRAßE NACH DAMASKUS
    Im Jahr 1150 wurde das lateinische Outremer von Widrigkeiten und Schicksalsschlägen unterschiedlichster Art heimgesucht. Es gab wohl kaum einen günstigeren Augenblick für die muslimischen Herrscher im Vorderen Orient, vor allem aber für Nur ad-Din, die Kreuzfahrerstaaten ins Mark zu treffen und die Franken ins Mittelmeer zu fegen. Die Christen hatten in schneller Folge das Scheitern des zweiten Kreuzzugs, die Niederlage von Inab und die Auflösung der Grafschaft Edessa zu verkraften. Nach 1149 wurden die Probleme noch drängender. Man schickte verzweifelte Hilferufe in den Westen, um einen neuen Kreuzzug anzuregen, doch die Erinnerung an die gerade erlittene Demütigung war noch zu frisch, und so erhielt man keine Reaktion. In Antiochia verursachte der plötzliche Tod von Fürst Raimund eine weitere Nachfolgekrise, denn sein Sohn und Erbe, Bohemund III., war erst fünf Jahre alt, und seine Witwe Konstanze widersetzte sich mit Nachdruck allen Plänen ihres Vetters König Balduin III. von Jerusalem, sie mit einem Kandidaten seiner Wahl zu verheiraten. Wie schon ihre Mutter Alice wollte Konstanze ihr Schicksal selbst in der Hand behalten, wodurch allerdings das Fürstentum vier Jahre lang ohne einen amtierenden Militärbefehlshaber auskommen musste und sie Balduin III. auch die Aufsicht über Antiochia aufbürdete. Die Pflichten des jungen Königs wuchsen im Jahr 1152 weiter, als Raimund II. von Tripolis von einer Assassinen-Bande ermordet wurde. Der Sohn und Namensvetter des Grafen, Raimund III., war erst zwölf Jahre alt, und so musste Balduin auch hier das Wächteramt übernehmen.
    [269] Balduin III. selbst war noch nicht sehr viel älter als zwanzig, und nun lastete die Herrschaft über alle drei noch existierenden Kreuzfahrerstaaten auf ihm. Erschwerend kam hinzu, dass die Beziehung zu seiner Mutter Melisende immer problematischer wurde. Gemeinsam hatten sie seit dem Jahr 1145 (als der junge König im Alter von 15 Jahren volljährig wurde) in Jerusalem geherrscht, und zu Beginn waren die Klugheit und die Erfahrung der Königin eine willkommene Quelle der Sicherheit und Kontinuität gewesen. Als Balduin nun aber erwachsen war, wurde die Mutter an seiner Seite zunehmend zur Belastung. Melisende dagegen dachte gar nicht daran, auf ihre Macht zu verzichten, sie genoss auch nach wie vor hohes Ansehen im Königreich. Seit 1149 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen den beiden Regenten immer mehr, und bis 1152 wurde das lateinische Palästina von bürgerkriegsähnlichen Zuständen fast zerrissen. Am Ende sah Balduin sich sogar gezwungen, Melisende von ihren

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