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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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militärischen Druck auf die Buriden bei, wobei er nach wie vor alles tat, um einen direkten Angriff auf die Stadt zu vermeiden. Die Bewohner von Damaskus registrierten auch weiterhin, dass es ihm »zutiefst zuwider war, Muslime zu töten«, und im Jahr 1151 gab es viele, die sich einem Aufruf Abaqs widersetzten, gegen Aleppo ins Feld zu ziehen.
    Ungefähr zu dieser Zeit begann Ajjub, der Bruder von Schirkuh ibn Shadi, als Beauftragter Nur ad-Dins in der Stadt zu wirken. Ajjub hatte im Jahr 1146 seine Loyalität auf die Buriden-Dynastie übertragen, jetzt aber beschloss er in gewohnt politisch flexibler Manier, zu den Zangiden zurückzukehren, womit er zu einem Fürsprecher der Zangiden am damaszenischen Hof wurde und gleichzeitig die Kontrolle über die lokale Miliz errang. In kleinen Schritten verwandelte Nur ad-Din Damaskus in einen Satellitenstaat. Im Oktober 1151 begab sich Abaq dann tatsächlich nach Aleppo, um seine Gefolgschaftstreue zu erklären; stillschweigend akzeptierte er die Unterwerfung, hoffend, die vollständige Eroberung noch abwenden zu können. Nur ad-Din nutzte dies lediglich als Rechtfertigung dafür, seine Propaganda noch gehässiger zu gestalten – wiederholt formulierte er unter dem Deckmantel des besorgten Herrschers Warnungen an Abaq, es gebe an dessen eigenem Hof in Damaskus Personen, die sich mit Aleppo in Verbindung gesetzt hätten, um die Kapitulation von Damaskus in die Wege zu leiten.
    Im Winter 1153/1154 verstärkte Nur ad-Din schließlich den Druck, indem er die Getreidetransporte aus dem Norden nach Damaskus unterband. Bald wurden dort die Lebensmittel knapp. Im Frühjahr, als die Unzufriedenheit in der Bevölkerung zunahm, schickte er eine Vorhut unter Schirkuh in den Süden, im späten April des Jahres 1154 wurde unter der Führung Nur ad-Dins selbst die Stadt eingeschlossen. Am Ende war ein regelrechter Angriff gar nicht nötig. Eine jüdische Frau soll ein Seil über die Stadtmauer geworfen haben, an dem einige Männer aus dem Heer Nur ad-Dins sich auf die östliche Festungsmauer hieven und seine Standarte hissen konnten. Als Abaq entsetzt in die Zitadelle floh, [272] öffnete das Volk von Damaskus die Stadttore und kapitulierte bedingungslos.
    Mit Geduld und Zurückhaltung hatte Nur ad-Din die Herrschaft über diesen historischen Sitz muslimischer Macht gewonnen – nun gab er sich alle Mühe, diese Prinzipien beizubehalten. Abaq traf entgegen seinen Befürchtungen auf Gleichmut, er erhielt Homs als Lehen und Belohnung dafür, dass er auf die Herrschaft über Damaskus verzichtete; später siedelte er in den Irak über. Nahrungsmittel im Überfluss strömten nun in die Stadt, und die Großzügigkeit des neuen Herrschers wurde bestätigt durch die »Abschaffung von Abgaben auf dem Melonen- und dem Gemüse-Markt«.
    Nur ad-Dins Eroberung von Damaskus im Jahr 1154 war eine bemerkenswerte Leistung. Er trat damit aus dem Schatten seines Vaters heraus, hatte er doch etwas vollbracht, woran sein Vater in mehreren Anläufen gescheitert war. Nur ad-Din konnte jetzt die Herrschaft über fast das gesamte muslimische Syrien beanspruchen: Zum ersten Mal seit dem Beginn der Kreuzzüge waren Aleppo und Damaskus vereint. Und all dies war gelungen, ohne dass muslimisches Blut unnötig vergossen worden war.
    Die Unterwerfung von Damaskus wurde häufig als einer der glorreichen Höhepunkte im Leben Nur ad-Dins dargestellt. Er selbst war sich dieser Bedeutung bewusst und machte seither ausgiebigen Gebrauch von dem Titel al-Malik al-Adil (der gerechte König). Außerdem kam die Idee auf, die Unterwerfung eines zweiten islamischen Gemeinwesens sei ein notwendiger Vorläufer für den Krieg gegen die Franken gewesen. Ein Chronist aus Aleppo schrieb später, dass »Nur ad-Din sich von diesem Zeitpunkt an ganz dem Dschihad verschrieb«.
    Diese Sicht der Ereignisse hält einer genaueren Betrachtung nicht stand. Nur ad-Din hatte wohl tatsächlich eine Abneigung dagegen, seine Glaubensbrüder zu töten, doch war er sich offensichtlich auch durchaus bewusst, welchen praktischen und propagandistischen Wert seine Milde hatte. Viel wichtiger ist jedoch, dass er zwar zur Legitimierung und Stärkung seiner Kampagne gegen die Buriden in Damaskus von anti-lateinischen Gefühlen profitiert hatte, dass er jedoch nach dem Jahr 1154 keine neue Dschihad-Offensive mehr plante. Seine Rhetorik hätte erwarten lassen, dass der Emir nun, da er das Königreich Jerusalem unmittelbar vor sich hatte, eine Lawine schlimmster

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