Die Kreuzzüge
befreien. Er wusste nicht, dass im selben Moment Feuer in Saladins erweiterten Belagerungstunnel gelegt wurde. Die hölzernen Stützbalken entzündeten sich plangemäß, der Tunnel brach zusammen und mit ihm die Mauer darüber. Saladin schrieb später, dass in dem Moment, als sich die Flammen ausbreiteten, die Burg ausgesehen habe wie »ein Schiff, das auf einem Flammenmeer dahinsegelt«. Als seine Männer durch die Bresche in der Mauer hineinströmten, entbrannten verzweifelte Kämpfe Mann gegen Mann; die Besatzung der Festung, lauter Elitekämpfer aus den Reihen der Tempelritter, lieferten ein blutiges, doch schlussendlich aussichtsloses letztes Gefecht. Mit dem Mut der Verzweiflung bestieg der Anführer der Tempelritter sein Kriegsross und galoppierte mitten hinein in die lodernde Bresche; ein muslimischer Augenzeuge beschrieb später, wie »er sich ohne Angst vor der entsetzlichen Hitze in ein Loch aus Flammen warf, und aus dieser Glut wurde er sogleich in eine andere geschleudert – nämlich in die Glut der Hölle«.
Die Verteidigungsanlagen der Burg waren durchbrochen, die lateinische Besatzung besiegt, und eine blutige Plünderung folgte. Die Überreste menschlicher Skelette, die kürzlich innerhalb der Ringmauer ausgegraben wurden, legen Zeugnis ab von der Brutalität des Angriffs. Ein Schädel weist die Spur von drei Schwerthieben auf; der letzte Hieb spaltete den Kopf des Mannes und zerquetschte das Gehirn. Einem anderen Kämpfer wurde der Arm oberhalb des Ellbogens abgeschlagen, bevor er getötet wurde. Während ein Großteil der Gebäude schon in Flammen stand, brachten Saladins Männer mehr als die Hälfte der Besatzung um und machten überreiche Beute, darunter auch 1000 Rüstungen. Um die Mittagszeit an jenem Donnerstag erblickte Balduin, der sich auf dem Eilmarsch in Richtung Norden befand, die ersten unheilvollen Zeichen eines großen Brandes am Horizont – untrüglicher Beweis für das Zerstörungswerk, das sich zur gleichen Zeit an der Jakobsfurt ereignete. Er kam sechs Stunden zu spät.
In den beiden anschließenden Wochen schleifte Saladin die Burg an der Jakobsfurt, er ließ sie bis auf die Grundmauern Stein für Stein niederreißen. Später behauptete er sogar, er habe die Fundamente mit eigenen [343] Händen herausgerissen. Die meisten der bei der Schlacht getöteten Lateiner wurden mitsamt ihren Pferden und Maultieren in die geräumige Zisterne der Festung geworfen. Das war ein höchst unkluger Schritt, weil kurz danach eine »Seuche« ausbrach, die viele Opfer unter den Muslimen forderte und auch zehn von Saladins Hauptleuten das Leben kostete. Mitte Oktober beschloss der Sultan, der sein Hauptziel erreicht hatte, den offenbar verfluchten Ort zu verlassen, und die Jakobsfurt blieb als aufgegebene, vergessene Ruine zurück. 15
Saladins Erfolge im Sommer 1179 brachten die seit den Ereignissen am Mont Gisard ständig steigende Woge fränkischer Siege zum Stillstand. Der Versuch der Lateiner, die Kontrolle über das Grenzgebiet am Oberlauf des Jordans an sich zu reißen und Damaskus unter Druck zu setzen, war gescheitert. Dem Sultan war es gelungen, die Einheit von Ägypten und Syrien aufrechtzuerhalten. Noch aber stand ihm die Aufgabe bevor, den Islam durch die Unterwerfung von Aleppo und Mosul zu einen.
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[344] DER SULTAN DES ISLAMS
O bwohl Saladin im Lauf des Jahres 1179 mehrfach siegreich gegen die Franken gekämpft hatte, wandte er sich in den frühen 1180er-Jahren wieder verstärkt seinen Bemühungen zu, ein eigenes Reich aufzubauen: Den Großteil seiner Energie und seiner Mittel verwandte er darauf, seine Herrschaft über Ägypten und Damaskus zu sichern und seine Macht auf die Muslime von Aleppo und Mosul auszuweiten. Im Frühjahr 1180, als Syrien unter den Nachwirkungen einer langanhaltenden Dürreperiode und unter Hungersnöten zu leiden hatte, vereinbarte er mit den Lateinern einen auf zwei Jahre befristeten Waffenstillstand – ein Vertrag, der offenbar vorteilhaft für beide Seiten war, weil keiner sich verpflichtete, zur Sicherung des Friedens einen finanziellen Tribut zu entrichten. Der Vertrag ermöglichte es Saladin, einige Angelegenheiten innerhalb der muslimischen Welt zu regeln.
HERRSCHAFTSDRANG
Zu den dringlichsten Anliegen Saladins gehörte es, den Einfluss und die ständig zunehmende Macht von Kilidsch Arslan II. einzudämmen, des seldschukischen Sultans von Anatolien. Kilidsch Arslan legte, seit er im Jahr 1176 die Byzantiner bei Myriokephalon vernichtend
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