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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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waren die Historiker überzeugt, dass es sich bei dem Bauwerk an der Jakobsfurt um eine vollständige Ringburg gehandelt habe, eine Burg mit einer äußeren und einer inneren Ringmauer, also eine unglaublich wehrhafte Festung. Im Jahr 1993 jedoch entdeckte der israelische Gelehrte Ronnie Ellenblum den Standort dieser lange unbekannten fränkischen Festung. Seine weiteren archäologischen Forschungen vor Ort, die er als Leiter eines internationalen Expertenteams betreibt, haben unsere Auffassung von den damaligen Ereignissen wie auch die Interpretation der schriftlichen Quellen von Grund auf verändert. Durch Ausgrabungen konnte schlüssig nachgewiesen werden, dass das Bauwerk an der Jakobsfurt im Jahr 1170 keine Ringburg war, dass es vielmehr lediglich über eine Umfassungsmauer verfügte sowie über einen einzigen Turm, und dass es sich zu dieser Zeit noch im Bau befand. Daraus kann zum einen geschlossen werden, dass für Wilhelm von Tyrus und seine Zeitgenossen eine »vollständige« Festung von einer Mauer umschlossen war und verteidigt werden konnte, dass sie aber nicht notwendig fertiggestellt sein musste; zum andern ergibt sich daraus, dass an dieser Festung zum besagten Zeitpunkt tatsächlich noch gebaut wurde.
    Entscheidend für Saladin war nun, dass die Jakobsfurt noch vergleichsweise leicht anzugreifen war, und im Frühjahr 1179, als Baalbek unterworfen war, kehrte er nach Damaskus zurück, um sich dann dem Ärgernis dieser Festung zu widmen. In den nun folgenden Monaten gab es einige unentschiedene Gefechte, beide Seiten erprobten die Stärke des Gegners. Saladin zog an der Spitze eines Heeres gegen die Festung bei der Jakobsfurt, um ihre Kampfkraft zu erkunden, zog sich aber schnell zurück, als einer seiner Hauptleute vom Pfeil eines Tempelritters tödlich [341] getroffen wurde. Bei zwei weiteren Konfrontationen jedoch bezwangen die Truppen des Sultans Balduins Mannschaften. In einem Kampf wurde der Oberbefehlshaber des Königs – sein wichtigster Militärberater – getötet; im Verlauf eines anderen Gefechts wurde der Großmeister der Tempelritter Odo von St. Amand zusammen mit 270 Rittern gefangen genommen. Diese Erfolge brachten die militärische Befehlsstruktur der Christen ins Wanken und trugen stark dazu bei, die muslimische Erniedrigung am Mont Gisard wiedergutzumachen. Während das politische Gleichgewicht sich wieder zugunsten Saladins verschob, zog sich König Balduin nach Jerusalem zurück, um seine Truppen neu aufzustellen. Der Sultan ließ derweil Verstärkung aus Nordsyrien und Ägypten kommen.
    Ende August 1179 war Saladin bereit für einen groß angelegten Angriff bei der Jakobsfurt. Am Samstag, dem 24. August, begann er mit einer aggressiven Belagerung; er wollte so schnell wie möglich in die Burg einbrechen. Die Zeit für eine langwierige Umzingelung hatte er nicht, weil der Lepra-König mittlerweile in der Nähe in Tiberias stationiert war, am Ufer des Sees Genezareth, nur einen halben Tag Fußmarsch Richtung Südwesten entfernt. Sobald er von dem Angriff erfuhr, konnte er eine Entsatztruppe aufstellen. Die Belagerung ähnelte also mehr einem Wettrennen: Die Muslime taten alles, um die Verteidigungslinien zu sprengen, bevor die Lateiner eintrafen. Die schriftlichen Zeugnisse der Zeitgenossen in Verbindung mit den archäologischen Befunden bieten uns mittlerweile einen lebhaften Eindruck von den Geschehnissen in den folgenden fünf harten Tagen. Als Erstes ließ Saladin aus östlicher und westlicher Richtung die Festung mit Pfeilen beschießen – an diesen Fronten wurden viele hundert Pfeilspitzen gefunden –, um die Tempelritter in der Burg zu demoralisieren. Gleichzeitig begannen professionelle Sappeure, wahrscheinlich aus dem syrischen Aleppo, einen Tunnel unter der Nordostecke der Mauern hindurch zu graben; sie hofften, den Festungswall durch Unterminieren zum Einsturz bringen zu können. Der Tunnel war schnell gegraben und mit Holz aufgefüllt, aber als das Holz angezündet wurde, erwies sich das Feuer als zu schwach, um die Mauern darüber zum Einsturz zu bringen. Verzweifelt bot der Sultan jedem Soldaten einen Gold-Dinar, der in einer Ziegenhaut Wasser aus dem Fluss herbeischleppte, um die Flammen wieder zu löschen, und dann wurde Tag und Nacht daran gearbeitet, den unterirdischen [342] Gang zu vergrößern. Gleichzeitig bereitete Balduin seinen Abmarsch von Tiberias vor.
    Am frühen Morgen des 29. August brach der Lepra-König mit seiner Mannschaft auf, um die Festung zu

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