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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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tun hatte. Um sein »Imperium« aufzubauen, wählte der Sultan nicht so sehr solche Kandidaten aus, die sich in irgendeiner Art verdient gemacht hatten, sondern griff in den meisten Fällen eher auf seine Familie zurück. Dieses Vertrauen erwies sich allerdings einige Male als unbegründet. Inkompetente, unzuverlässige und mitunter sogar illoyale Figuren wie Turan-Shah waren eine Belastung, die dem großen Traum von der Herrschaft der Ajjubiden gravierenden Schaden zufügen konnten, doch es kam immer wieder vor, dass Saladin nicht zu bewegen war, sich von seinen Blutsverwandten zu distanzieren. Es zeigte sich andererseits, dass der Sultan, um die Krise in Baalbek in seinem Sinne beizulegen, nicht vor Doppelzüngigkeit und politischer Intrige zurückschreckte.
    Nachdem im Sommer sämtliche Versuche gescheitert waren, das Problem auf diplomatische Weise zu lösen, setzte sich Saladin im Herbst [337] 1178 in Richtung Baalbek in Marsch. Imad ed-Din berichtet, dass Saladin zunächst »Ibn al-Muqaddam trotz seines Alters wie ein Kleinkind angebettelt« habe, und als das zu nichts führte, belagerte er die Stadt den gesamten Winter hindurch. Gleichzeitig inszenierte Saladin einen dreisten Propagandafeldzug, um sein Handeln zu rechtfertigen. Ibn al-Muqaddam wurde beschuldigt, ein Feind der Regierung zu sein, und in mehreren Briefen nach Bagdad wurde ihm vorgeworfen, er befehlige zur Verteidigung der Grenze gegen die Franken eine nutzlose Bande »unwissender Taugenichtse«; später warf Saladin ihm sogar vor, mit diesen christlichen Feinden verräterische Kontakte zu unterhalten. Im darauffolgenden Frühjahr war der Ruf des »rebellischen« Emirs ruiniert, er selbst war zum Aufgeben gezwungen worden, und man handelte einen Vertrag aus. Turan-Shah bekam tatsächlich seine geforderte Entschädigung, die Herrschaft über Baalbek, doch auch dort verhielt er sich derart ungeschickt, dass er bald nach Ägypten zurückkehren musste, wo er 1180 starb. Gleichzeitig wurde Ibn al-Muqaddam, nachdem er sich Saladins Willen unterworfen hatte, wieder in den Kreis der Günstlinge aufgenommen. Er wurde reich entlohnt mit Ländereien im Süden von Antiochia und Aleppo und blieb dem Sultan zeit seines Lebens treu ergeben. 14
    Das Haus der Trauer
    Saladin war noch verstrickt in die Streitigkeiten um Baalbek, als er von einer alarmierenden Entwicklung im Grenzgebiet zwischen Damaskus und dem Königreich Jerusalem erfuhr. Balduin IV. wollte den Vorsprung nutzen, den er durch seinen Sieg am Mont Gisard errungen hatte, und machte sich an die Umsetzung eines gefährlichen Projekts, mit dem er die Verteidigungsanlagen Palästinas zu verstärken und den ajjubidischen Einfluss auf Syrien zurückzudrängen gedachte.
    Um die Bedeutung dieser Ereignisse richtig einzuschätzen, muss man sich die Beschaffenheit von Grenzen im 12. Jahrhundert vor Augen halten. Ebenso wie die meisten anderen Territorien im Mittelalter waren das muslimische und das fränkische Territorium in der Levante ganz überwiegend nicht durch Bauten voneinander getrennt, die einer modernen Grenze entsprochen hätten, sondern es handelte sich um eine Art Grenz zone – um Bereiche, in denen sich der politische, militärische und wirtschaftliche Einfluss beider Seiten überschnitt, in denen aber keine [338] Seite ihre Herrschaft konsequent geltend machte. Die Lage dieser Gebiete unter nicht eindeutig definierter Kontrolle stand häufig, vergleichbar mit dem Niemandsland zwischen einzelnen Ländern, in engem Bezug zu topographischen oder anderen geographischen Gegebenheiten, etwa Gebirgszügen, Flüssen, dichten Wäldern oder sogar Wüsten. Und Versuche des einen Landes, seinen Einfluss auf eine solche Region zu festigen oder auszudehnen, konnten zu gravierenden Verschiebungen in der Machtbalance des Gebiets selbst sowie zwischen den betreffenden Mächten führen.
    Ein typisches Beispiel für eine solche Verschiebung war im frühen 12. Jahrhundert die Erweiterung des lateinischen Fürstentums Antiochia gewesen: Es hatte seine Einflusssphäre in Richtung Osten verschoben, über die Belus-Berge hinaus, die bis dahin die natürliche Grenzzone zu Aleppo gebildet hatten. Diese erhöhte Bedrohung für Aleppo hatte prompt zu muslimischen Vergeltungsmaßnahmen geführt, die in der Schlacht auf dem Blutfeld im Jahr 1119 kulminierten. In den späten 1170er-Jahren zeichnete sich eine ähnliche Konfrontation zwischen Balduin IV. und Saladin ab. In dieser Zeit verlief die kritische Grenzzone zwischen

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