Die Kreuzzüge
Versprechungen, an einem Kreuzzug teilzunehmen, nicht nachkommen konnte oder wollte; um dieses Versäumnis auszugleichen, unterstützte er Outremer immer wieder mit Geld. 3
Erst die wahrhaft umstürzenden Ereignisse des Jahres 1187 vermochten diese festgefahrene Situation aufzubrechen und wieder echtes Engagement wachzurufen. Die alten Streitigkeiten gerieten deswegen nicht in Vergessenheit – die Feindschaft zwischen den Kapetingern und den Anjou hatte vielmehr weitreichende Auswirkungen auf den dritten Kreuzzug. Die entsetzlichen Nachrichten aus dem Vorderen Orient brachten dann die Gemüter so in Wallung, dass die Herrscher der lateinischen Christenheit den Ruf zu den Waffen nicht nur ernst nahmen; diesmal hielten sie auch ihr Versprechen und zogen tatsächlich in den Krieg.
Ein Grund für Tränen
Papst Urban III. wurde nach seinem Tod am 20. Oktober 1187 von Gregor VIII. abgelöst, und schon Ende Oktober erschien eine neue päpstliche Bulle – »Audita tremendi« –, in der zum dritten Kreuzzug aufgerufen wurde. Wie zuvor handelte es sich um eine fundierte Rechtfertigung des heiligen Krieges. Die Katastrophe von Hattin wurde als »gewichtiger Grund zur Trauer für das gesamte Volk der Christenheit« beschrieben; Outremer, so hieß es, sei »einem strengen, schrecklichen Gericht« unterzogen worden; und die muslimischen »Ungläubigen« wurden als »wilde Barbaren« dargestellt, die »nach dem Blut der Christen dürsten und die heiligen Stätten [entweihen]«. Die Bulle schloss mit den Worten, dass jeder normale Mensch, »der nicht in Tränen ausbricht über einen solchen Grund für Tränen«, wohl seinen Glauben und seine Menschlichkeit verloren haben müsse.
In vielerlei Hinsicht lehnte sich dieser leidenschaftliche Mahnruf an die früheren Kreuzzugsaufrufe an; zwei Themen wurden allerdings neu aufgenommen: Zum einen erhielt das Böse zum ersten Mal ein Gesicht. [401] Die früheren Aufrufe hatten die Muslime als sadistische, allerdings anonyme Gegner dargestellt. Nun wurde Saladin zur Personifikation des Feindes, man verglich ihn mit dem Teufel. Das deutet sowohl auf die größere Vertrautheit mit dem Islam im Abendland hin als auch auf das gigantische Ausmaß der »Verbrechen«, die der Sultan begangen hatte. Zum anderen sollte mit der Bulle »Audita tremendi« erklärt werden, warum Gott es zugelassen habe, dass sein Volk »von einem derart immensen Schrecken heimgesucht wurde«. Die Antwort lautete, dass die Lateiner als Strafe für ihre Sünden »von Gottes Hand gezüchtigt« wurden. Vor allem die Franken in der Levante wurden als Schuldige dargestellt, weil sie nach dem Fall von Edessa nicht Buße getan hatten, doch auch die Christen in Europa waren nicht frei von Schuld. »Wir alle sollten uns von unseren Sünden lossagen [. . .] und uns Gott, unserem Herrn, zuwenden, mit Bußfertigkeit und Werken der Barmherzigkeit«, so die Aufforderung der Bulle, »und erst danach unser Augenmerk auf die Tücke und Bosheit des Feindes richten«. In Verbindung mit diesem Aufruf zu Buße und Reue wurden die Kreuzfahrer aufgefordert, sich nicht »um des Geldes oder um des weltlichen Ruhmes willen« am Kreuzzug zu beteiligen, »sondern um den Willen Gottes zu tun«; man sollte in einfacher Kleidung reisen, ohne »Hunde oder Vögel«, bereit, Buße zu tun und nicht »eitle Pracht zu entfalten«.
Der Text »Audita tremendi« erwähnt zwar die »Schicksalsschläge, [. . .] die Jerusalem und das Heilige Land jüngst getroffen haben«, allerdings wurde besonderer Nachdruck auf den Verlust des Wahren Kreuzes, der Reliquie vom Kreuz Christi, bei Hattin gelegt – möglicherweise war die Botschaft von der tatsächlichen Eroberung Jerusalems durch Saladin noch nicht eingetroffen. Den Gegenstand der frommen Verehrung zurückzugewinnen wurde nun zu einem der obersten Ziele des Kreuzzugs.
Wie in der ersten Kreuzzugsbulle widmeten sich die abschließenden Absätze der Verlautbarung von 1187 dem geistlichen und zeitlichen Lohn, der den Teilnehmenden winkte. Es wurde ihnen volle Vergebung all ihrer gebeichteten Sünden gewährt, und denen, die während des Feldzugs starben, wurde das »ewige Leben« versprochen. Für die Dauer der Unternehmung sollten sie von Zinsen auf ihre Schulden befreit sein und nicht vom Gesetz verfolgt werden dürfen; ihr Besitz und ihre Familien stünden unter dem Schutz der Kirche. 4
[402] Die Botschaft breitet sich aus
Die Katastrophen, die den Franken im Jahr 1187 widerfahren waren, hatten ein so
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