Die Kreuzzüge
von der Küstenlinie bewegte, bot seinen Truppen außerdem wirkungsvollen Schutz vor feindlicher Umzingelung. Wo immer es möglich war, marschierten die Kreuzfahrer auf der rechten Flanke praktisch mit einem Fuß im Wasser, womit sämtliche Angriffe von dieser Seite ausgeschlossen waren. So hoffte Richard, die Gefahren eines Zuges durch Feindesland auf ein Minimum reduzieren zu können. Diese ausgefeilte Taktik beruhte offensichtlich auf sorgfältiger Vorausplanung und stützte sich wahrscheinlich zum Teil auf die genauen Ortskenntnisse der Ritterorden. Der Erfolg hing von der Truppendisziplin ab, und in dieser Hinsicht würden Richards Persönlichkeit und seine unerschütterliche Tapferkeit ausschlaggebend sein.
Und dennoch sollte man weder Richards Leistungen noch die mechanistische Präzision des Heereszugs überbewerten. Selbst in dieser Phase des Kreuzzugs hatte der König mit Schwierigkeiten zu kämpfen, was von modernen Interpreten meist übersehen wird. Schon sein erstes Problem – der eigentliche Aufbruch – geriet zu einer echten Blamage. Man hätte erwarten können, dass seine Autorität als einziger noch anwesender Monarch außer Frage stand; schließlich hatte er es sogar auf sich genommen, potentiell widerspenstige französische Kreuzfahrer wie Hugo von Burgund mit Geld zu motivieren, um sich ihrer Loyalität zu [494] versichern. Trotzdem bereitete es ihm zahllose Schwierigkeiten, seine Landsleute zum Verlassen der Stadt Akkon zu bewegen.
Diese Hafenstadt war zu einem bequemen, ja verführerischen Zufluchtsort vor den Schrecken des heiligen Krieges geworden. Sie war »so vollgestopft mit Leuten, dass kaum alle Platz fanden«, und hatte sich dabei in eine Lasterhöhle verwandelt, in der alle möglichen verbotenen Vergnügungen zu kaufen waren. Ein Kreuzfahrer gesteht, es sei »sehr angenehm« gewesen, »mit gutem Wein und Mädchen, darunter einige äußerst hübsche«, mit denen viele lateinische Kreuzfahrer »ihren inferioren Spaß« gehabt hätten. Unter diesen Bedingungen fiel es Richard schwer, seine Befehle durchzusetzen. Am Tag nach dem Massaker an den muslimischen Gefangenen ließ er einen Stützpunkt auf der Ebene im Südosten des Hafens errichten, jenseits der alten Kreuzfahrergräben. Seine treuesten Gefolgsleute begleiteten ihn, andere jedoch zögerten. Ein Anhänger Richards gestand, dass der König eine Mischung aus Schmeichelei, Bitten, Bestechung und Gewalt anwenden musste, um eine einigermaßen ansehnliche Streitmacht zusammenzubekommen, und selbst dann blieben noch viele in Akkon zurück. Tatsächlich stießen während der ersten Phase des Marsches immer noch Nachzügler zum Hauptheer. Zumindest zu Beginn war wohl das zurückhaltende Tempo von Richards Vormarsch, das heute von Militärhistorikern so bewundert wird, vor allem darauf zurückzuführen, dass man diesen Nachzüglern den Anschluss an den Tross noch ermöglichen wollte. 2
Abmarsch
Das Hauptheer brach am Donnerstag, dem 22. August 1191, in Richtung Süden auf. Um jeglicher Form von »Liederlichkeit« unter seinen Männern zuvorzukommen, befahl Richard, sämtliche Frauen in Akkon zurückzulassen. Nur für ältere Pilgerinnen wurde eine Ausnahme gemacht, die, wie es hieß, »die Kleider und Köpfe [der Soldaten] wuschen und beim Lausen genauso nützlich waren wie Affen«. In den ersten beiden Tagen ritt Richard mit der Nachhut, um für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen, doch wider Erwarten gab es kaum Probleme. Saladin, der nicht wusste, was Richard vorhatte, und möglicherweise einen Überfall auf sein Lager bei Saffaram fürchtete, unternahm in diesem Stadium lediglich einige Scheinangriffe. Nachdem die Kreuzfahrer binnen [495] zwei Tagen kaum 15 Kilometer hinter sich gebracht hatten, überquerten sie den Fluss Belus und schlugen ihr Lager auf; dort verbrachten sie den gesamten 24. August und »warteten auf diejenigen aus dem Volk Gottes, die aus Akkon nur mit Mühe abzuziehen waren«. 3
Am frühen Morgen des nächsten Tages brach Richard auf, um den Rest des Weges nach Haifa zurückzulegen. Das Heer war in drei Abteilungen aufgegliedert: Der König ritt an der Spitze, in der Mitte marschierte die Kerntruppe aus englischen und normannischen Kreuzfahrern, und Hugo von Burgund und die Franzosen bildeten die Nachhut. Eine Koordination dieser Gruppen fand vorerst nur begrenzt statt, doch zumindest waren alle durch den Blick auf Richards königliche Standarte vereint, die aus der Mitte des Heeres emporragte. Mit dem
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