Die Kreuzzüge
schienen die lateinischen Opfer im Vergleich dazu minimal.
In dieser Nacht verbreitete sich allerdings ein beunruhigendes Gerücht unter den Kreuzfahrern. Jakob von Avesnes, der angesehene Kreuzfahrer aus dem Hennegau, wurde vermisst. Gleich zu Beginn des folgenden Tages machte sich ein Suchtrupp aus Templern und Johannitern auf den Weg zum Schlachtfeld, und dort, zwischen den toten Christen [509] und Muslimen, fanden sie dann auch seine verstümmelte Leiche. Es hieß, sein Pferd sei im Kampfgetümmel gestürzt; Jakob wurde aus dem Sattel geschleudert, kämpfte aber wie ein Löwe weiter, doch als das Schlachtgeschehen eine neue Wendung nahm, habe sein alter Waffenkamerad, Graf Robert von Dreux, seine Hilferufe überhört und ihn allein zurückgelassen. Jakob habe ein verzweifeltes letztes Gefecht geliefert und 15 Feinde getötet, bevor er selbst erschlagen wurde. Man fand ihn inmitten toter Muslime, »sein Gesicht so mit getrocknetem Blut verschmiert, dass sie ihn erst richtig erkennen konnten, nachdem sie das Blut mit Wasser abgewaschen hatten«. Man brachte in einer feierlichen Prozession seine Leiche nach Arsuf zurück; beerdigt wurde er in einer Zeremonie in der Anwesenheit König Richards und Guidos von Lusignan. »Jeder klagte und weinte und jammerte« über seinen Tod; der dritte Kreuzzug hatte einen seiner bewährtesten, angesehensten Krieger verloren. 14
Die Bedeutung der Schlacht von Arsuf
Diese Schlacht galt lange Zeit als ein historischer Triumph der Kreuzfahrer. Ambroise, der Richard als den monumentalen Helden des heiligen Krieges darstellen wollte, beschrieb die Schlacht als die entscheidende Begegnung zwischen Richard Löwenherz und Saladin – eine Begegnung, die Richard willentlich herbeigeführt und in der er einen vollständigen Sieg errungen habe. Diese Darstellung der Ereignisse bei Arsuf wurde weitgehend übernommen, und Richards Erfolg am 7. September 1191 wurde zu einem der Eckpfeiler seines Ruhmes als Krieger und Kämpfer. Jean Flori, ein moderner Biograph Richards, bemerkt, die Schlacht habe des Königs »Fähigkeiten in der ›Kriegswissenschaft‹« offenbart, und er fügt hinzu, sie sei »zu Richards Bedingungen geschlagen« worden und der König habe »sein Heer bereits in Schlachtordnung aufgestellt«. 15
Tatsächlich ist die Rekonstruktion mittelalterlicher Schlachten eine höchst unpräzise Angelegenheit, und Richards Absichten können gar nicht mit absoluter Sicherheit nachvollzogen werden. Genauso viele Indizien sprechen dafür, dass Richard sich bei Arsuf auf keine größere Schlacht einlassen wollte. Es mag sein, dass er am 7. September mit einer muslimischen Attacke rechnete, doch scheint er vor allem sein oberstes Ziel verfolgt zu haben – den geplanten Lagerplatz bei Arsuf zu erreichen und dann nach Jaffa weiterzumarschieren. Als dann die Nachhut der [510] Kreuzfahrer ausbrach und die Muslime angriff, war es natürlich die schnelle und mutige Reaktion Richards, der damit eine Katastrophe verhinderte und einen Sieg erstritt, der zwar den Gegebenheiten geschuldet war, aber die Kampfmoral ganz beträchtlich hob. Entscheidend aber ist, dass er den Kampf nicht selbst herbeiführte, sondern nur re agierte.
Damals erwähnte er mit keinem Wort, dass er die Schlacht geplant habe – diese Vorstellung scheint erst in der Zeit nach dem dritten Kreuzzug aufgekommen zu sein –; allerdings schreibt er in seinem Brief vom 1. Oktober, dass die Muslime bei Arsuf einen herben Schlag hinnehmen mussten:
Das Gemetzel unter den Vornehmeren von Saladins Sarazenen war so groß, dass er an jenem Tag bei Arsuf mehr Männer verlor [als] an irgendeinem andern Tag in den 40 Jahren zuvor [. . .]. [Seit] jenem Tag hat Saladin es nicht mehr gewagt, gegen die Christen anzutreten. Stattdessen liegt er in einiger Distanz auf der Lauer, unsichtbar, wie ein Löwe in seiner Höhle, [und wartet auf eine Gelegenheit], die Freunde des Kreuzes wie Schafe [zu töten].
Arabische Quellen gaben zu, dass die Ajjubiden bei Arsuf vernichtend geschlagen wurden. Baha ad-Din, selbst Augenzeuge bei Arsuf, vermerkt, dass viele »den Märtyrertod gestorben« seien, und er gesteht ein, dass al-Adil und al-Afdal zwar sehr tapfer gekämpft hätten, doch letzterer habe sich »bis zum heutigen Tag noch nicht von seiner Erschütterung erholt«. Faktisch war der Verlust an Menschenleben nicht so entscheidend gewesen – Saladin war geschlagen worden, doch der heilige Krieg sollte weitergehen. Schon wenige Tage danach forderte
Weitere Kostenlose Bücher