Die Kreuzzüge
seine Schubkraft. Man begann mit Wiederaufbauarbeiten am Hafen und an den Wehranlagen, noch während Saladin die Zerstörung Askalons zu Ende brachte. Die Kreuzfahrer genossen nach den ungeheuren Strapazen des Marschs von Akkon nach Jaffa den plötzlichen Abbruch der Feindseligkeiten. Unter den zuverlässig einlaufenden Nachschub-Schiffen befanden sich bald auch Schiffe mit vielen Prostituierten an Bord. Ein christlicher Augenzeuge bemängelt, dass nach ihrem Eintreffen das Heer wieder »mit Sünde und Unflat, Übeltaten und Lüsternheit« vergiftet wurde. Als aus den Tagen dann Wochen wurden, ließ schließlich auch der Wille spürbar nach, die Heilige Stadt so schnell wie möglich zu erreichen, und die Expedition begann sich aufzulösen. Es gab sogar Franken, die nach Akkon zurücksegelten, um noch luxuriöseren Genüssen zu frönen, und schließlich musste Richard selbst in den Norden reisen, um die Ausreißer wieder zu ihrer eigentlichen Aufgabe zurückzuholen. 2
Auf dem Weg nach Jerusalem
Der dritte Kreuzzug blieb alles in allem fast sieben Wochen lang in Jaffa und seiner Umgebung stecken. Dieser Aufschub gewährte dem Sultan genug Zeit, seine Strategie der verbrannten Erde zu verfolgen und alle Festungen, die von der Küste landeinwärts den Weg in Richtung Jerusalem säumten, zu zerstören. Richard verbrachte fast den ganzen Oktober 1191 damit, sein Heer wieder zu sammeln, und erst in den letzten Tagen des Monats, als sich die Kampfsaison bereits ihrem Ende zuneigte, setzte sich der Kreuzzug Richtung Jerusalem in Marsch. Hier wartete nun eine Schwierigkeit auf die Kreuzfahrer, die ihre Vorgänger so nicht gekannt hatten. Im Jahr 1099 war der erste Kreuzzug nahezu ungehindert auf die Heilige Stadt zumarschiert, und die anschließende Belagerung war zwar beschwerlich, doch hatten es die Franken nur mit einer relativ kleinen, isolierten feindlichen Streitmacht zu tun. Heute, fast ein Jahrhundert später, mussten die Lateiner mit sehr viel härterem Widerstand rechnen.
[516] Saladins Macht mochte seit 1187 geschwächt worden sein, aber noch immer verfügte er über ungeheure militärische Ressourcen, mit denen er die Christen bei ihrem Marsch in Richtung Jerusalem auf Schritt und Tritt drangsalieren und schikanieren konnte. Sollten die Kreuzfahrer dann schließlich doch nach Jerusalem gelangen, dann würde die Eroberung der Stadt sie noch einmal vor zahlreiche ganz eigene Schwierigkeiten stellen. Die Verteidigungssituation der Stadt – eine umfangreiche Garnison und starke Wehranlagen – würde sie praktisch uneinnehmbar machen, und gleichzeitig wäre ein Belagerungsheer vor den Mauern Jerusalems mit Sicherheit erbitterten Gegenangriffen von weiteren muslimischen Truppen ausgesetzt. Noch problematischer war die Frage der Versorgung und des Nachschubs: Wenn der dritte Kreuzzug die Küste erst hinter sich gelassen hatte, bestand nur noch eine ganz brüchige Verbindung mit Jaffa; wenn diese auch noch durchtrennt wurde, dann wären Richard und sein Heer isoliert gewesen, was einer Niederlage schon sehr nahe kam.
Richard wollte also zunächst vor allem eine Versorgungskette ins Landesinnere aufbauen. Die wichtigste Route nach Jerusalem führte über die Küstenebene östlich von Jaffa bis Ramla und nach Latrun, bevor sie sich nordöstlich nach Beit Nuba in die Ausläufer der Berge von Judäa schwang und dann östlich auf die Heilige Stadt zulief (es gab auch Alternativen, etwa die Route weiter nördlich über Lydda). Im Lauf des 12. Jahrhunderts hatten die Franken zahlreiche Festungen errichtet, um den Zugang nach Jerusalem wirksam verteidigen zu können. Die meisten Festungen hatten sich in der Hand der Ritterorden befunden, doch nach der Niederlage von Hattin waren sie allesamt an die Muslime gefallen.
Saladin hatte gemäß seiner neuen Strategie den Weg, der nun vor den Kreuzfahrern lag, völlig verwüsten lassen. Jede größere Festungsanlage – darunter auch Lydda, Ramla und Latrun – war niedergerissen worden. Am 29. Oktober marschierte Richard weiter zu den Ebenen östlich von Jaffa und begann mit der mühseligen Arbeit des Wiederaufbaus einiger landeinwärts führender Stationen, zunächst mit dem Bau von zwei Forts in der Nähe von Yasur. Der Krieg setzte sich nun in mehreren kleineren Gefechten fort. Saladin versammelte seine Truppen bei Ramla und unternahm Störmanöver gegen die Franken, behinderte ihre Aufbauarbeiten, ging aber einer direkten Konfrontation aus dem Weg. Als der Vormarsch nach
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