Die Kreuzzüge
Saladin in verschiedenen Schreiben von seinen »weit verstreuten Gebieten« Verstärkung an. Der eigentliche Schaden war wieder genau wie in Akkon ein psychologischer. Als Saladin sich nach Kräften bemühte, die Kontrolle über seine Truppen nicht zu verlieren, soll sein »Herz voller Gefühle gewesen« sein, »die Gott allein kannte, und auch die kämpfenden Männer wurden entweder körperlich oder im Herzen verwundet«. In seiner Korrespondenz bemühte sich der Sultan in dieser Zeit, eine positive Darstellung der Ereignisse zu geben: Er behauptete, die Angriffe der Muslime hätten den Vormarsch der Franken derartig verlangsamt, dass sie für eine Zweitagesreise ganze 17 Tage brauchten; außerdem feierte er den Umstand, [511] dass »Sir Jak« (Jakob von Avesnes) erschlagen wurde. Doch die Wahrheit war nicht zu leugnen: Erneut war Saladin mit einem Versuch gescheitert, den dritten Kreuzzug aufzuhalten. 16
Am 9. September 1191 machten sich die Franken wieder auf den Weg und langten ohne größere Schwierigkeiten am Fluss Arsuf an. Am nächsten Tag erreichte Richard die Ruinen von Jaffa – die Mauern der Hafenstadt waren auf Saladins Befehl im Herbst des Jahres 1190 geschleift worden. So groß war die Verwüstung, dass das gesamte lateinische Heer in den Olivenhainen und Gärten der Umgebung untergebracht werden musste, doch die Kreuzfahrer waren angenehm überrascht, dort eine Fülle an Nahrungsmitteln vorzufinden: Trauben, Feigen, Granatäpfel und Mandeln. Nach kurzer Zeit liefen dann die ersten Schiffe der Christen mit Nachschub aus Akkon ein. An der Küste Palästinas wurden Verteidigungsanlagen errichtet. Richard Löwenherz hatte den dritten Kreuzzug in unmittelbare Nähe des entscheidenden Sieges geführt: Jerusalem im Landesinnern war nur noch 60 Kilometer entfernt.
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[512] JERUSALEM
I m Spätsommer 1191 befehligte König Richard I. von England einen äußerst disziplinierten und gnadenlos erfolgreichen Marsch von Akkon nach Jaffa. Saladin fügte er im Vorübergehen eine demütigende, fast schon vernichtende Niederlage zu. Mit seiner Ankunft im Heiligen Land hatte Richard Löwenherz den dritten Kreuzzug wachgerüttelt und neu belebt; die Kreuzfahrer drückten sich nicht länger kleinlaut und tatenlos in Nordpalästina herum, sondern standen selbstbewusst an der Schwelle zum Sieg. Der Erfolg hing allerdings davon ab, dass diese Dynamik nicht zum Stillstand kam – nur rasches Handeln konnte das zerbrechliche Bündnis der Franken aufrechterhalten, aber auch der Druck auf einen ins Wanken geratenen Feind durfte nicht nachlassen. Aber ausgerechnet in diesem Moment, als höchste Konzentration auf ein klar definiertes militärisches Ziel vonnöten gewesen wäre, zögerte der König.
ENTSCHEIDUNGEN UND ENTTÄUSCHUNGEN
Um den 12. September 1191 herum, nur wenige Tage nach der Ankunft in Jaffa, machten im Lager der Kreuzfahrer besorgniserregende Berichte aus dem Süden die Runde. Saladin, so hieß es, sei nach Askalon weitergezogen und schleife nun die muslimisch besetzte Hafenstadt bis auf die Grundfesten. Die Gerüchte stießen auf eine Mischung aus Ungläubigkeit, Schrecken und Argwohn. Der König entsandte Gottfried von Lusignan (der nominell zum Grafen der Region ernannt worden war) und den vertrauenswürdigen Ritter Wilhelm von L’Estang dorthin; sie sollten der Sache auf den Grund gehen. Zu Schiff reisten sie in Richtung Süden, und als sie der Stadt allmählich näherkamen, bot sich ihnen ein Anblick wüstester Zerstörung. Die ganze Stadt brannte, die entsetzte [513] Bevölkerung war zwangsweise evakuiert worden, während die Männer des Sultans sich über die gewaltigen Verteidigungsanlagen des Hafens hermachten und Mauern und Türme abrissen.
Das Ganze war ein Resultat von Saladins ganz neuer Strategie. Tief getroffen von seiner demütigenden Niederlage bei Arsuf hatte er seine Berater für den 10. September in Ramla zusammengerufen, um das weitere Vorgehen der Ajjubiden zu besprechen. Da er mit seinem Versuch gescheitert war, die Kreuzfahrer bei ihrem Marsch in den Süden frontal anzugreifen, beschloss er, von nun an eher defensiv vorzugehen. Wenn Richard in offener Schlacht nicht zu besiegen war, dann mussten drastische Schritte unternommen werden, um diesen Vormarsch aufzuhalten – eine Politik der verbrannten Erde sollte die vorrückenden Franken behindern, wozu auch die Zerstörung strategisch wichtiger Festungen gehörte.
Das wichtigste Ziel war Askalon, Haupthafen in Südpalästina und
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