Die Kreuzzüge
überzeugt war, dass Richard den Plan niemals umzusetzen gedachte und ihn lediglich »verspotten und täuschen« wollte. Fest steht, dass dieser nur wenige Tage später die Botschaft überbringen ließ, seine Schwester könne keinen Muslim heiraten; er schlug nun vor, dass al-Adil zum Christentum übertreten solle, und damit könne »die Tür für Verhandlungen geöffnet« bleiben. 5
Wenige Wochen später, als der dritte Kreuzzug sich allmählich mühsam auf den Weg machte, bat Richard erneut um eine Unterredung. Er traf mit al-Adil am 8. November 1191 in einem opulent ausgestatteten Zelt zusammen, das dicht hinter der muslimischen Front bei Ramla aufgeschlagen war. Die Atmosphäre war geradezu heiter und gesellig. Die beiden Männer tauschten »Speisen, Kostbarkeiten und Geschenke« aus und genossen die Köstlichkeiten aus beiden Kulturen; Richard bat, arabische Musik hören zu dürfen, und sogleich wurde eine Musikerin hereingeführt, die den König mit Gesang und Harfenspiel unterhielt. Nachdem sie sich den ganzen Tag unterhalten hatten, »gingen sie auseinander«, wie ein muslimischer Zeuge beschreibt, »in Gewogenheit und einander wohlgesonnen als feste Freunde«, obwohl Richards wiederholte Bitte, mit Saladin selbst zusammenzutreffen, abgelehnt wurde.
Nun wurden die Verhandlungen des Königs mit dem Feind im Lager erstmals allgemein bekannt – und sie lösten heftige Kritik aus. Ein christlicher Augenzeuge bemerkt, dass Richard und al-Adil »sich offenbar angefreundet« und dass sie Geschenke ausgetauscht hätten, darunter sieben Kamele und ein wertvolles Zelt. Insgesamt haben die Franken wohl den Eindruck gewonnen, dass diese diplomatischen Vorstöße unklug waren. Es hieß, der König sei mittels einer Fassade aus Großzügigkeit und Wohlwollen verleitet worden, den Vormarsch nach Jerusalem aufzuschieben – ein Irrtum, »der ihm häufig vorgeworfen und für den er oft kritisiert worden ist« –, und Saladins Bruder, der »mit seiner Gerissenheit den allzu vertrauensseligen König in eine Falle gelockt habe«, habe ihn ausgetrickst. Diese Vorstellung von Richard als einer orientierungslosen Marionette, die von einem verschlagenen politischen Taktiker wie al-Adil [522] gegen ihren Willen manipuliert worden sei, passt nicht im Geringsten zur Beschreibung des Diplomaten Richard Löwenherz in muslimischen Quellen. Ibn al-Athir, der Chronist in Mosul, rühmt im Gegenteil Richard ganz offen und bemerkt, dass »der König [sich mit al-Adil traf] als gewandter Stratege«.
Der englische König war zweifellos ein gewiefter Verhandlungspartner. Ein anderer hätte sich durch die fortgesetzte Zurückweisung direkter Gespräche mit dem Sultan womöglich entmutigen lassen; dem König dagegen gelang es, diese Situation für sich zu nutzen. Am 9. November schickte er an den Sultan eine raffinierte Nachricht, in der er auf die Wochen zuvor ausgehandelten Zugeständnisse zu sprechen kam: »Ihr habt gesagt, dass Ihr diese Küstengebiete Eurem Bruder zusprecht. Ich bitte Euch, zwischen ihm und mir als Schiedsrichter tätig zu werden und diese Gebiete zwischen [uns] aufzuteilen.« Die Christen würden »einen gewissen Zugang zu Jerusalem« brauchen, doch er wolle »verhindern, dass [al-Adil] von den Muslimen und ich von den Franken deswegen angegriffen würden«. Seine implizite Absicht war es, die Verhandlungsbasis als Ganze zu verlagern, indem er Saladin nahelegte, sich nicht mehr so sehr als Erzfeind, sondern als großzügigen Schiedsrichter zu sehen. Zumindest einige unter den Beratern des Sultans »waren von diesem [Vorschlag] tief beeindruckt«. 6
Auf dem Feld diplomatischen Ränkeschmiedens war Saladin dem König allerdings mindestens ebenbürtig. In diesen Herbstwochen stand er in regelmäßigem Kontakt mit Konrad von Montferrat, und er bemühte sich auch überhaupt nicht, dies vor Richard zu verheimlichen – im Gegenteil, es konnte geschehen, dass Konrads Gesandte »mit al-Adil ausritten und die Franken beobachteten, wie sie von den Muslimen in Kämpfe verwickelt wurden«. Dieser Anblick bewog den englischen König, so nahm man an, seine eigenen Verhandlungsbemühungen zu verdoppeln. Saladin versuchte die Kluft zwischen Richard und dem Grafen auszunutzen und drängte darauf, »den Franken von jenseits des Meeres deutliche Signale von Feindseligkeit zu geben«. Er versprach Konrad für den Fall, dass dieser die von den Kreuzfahrern besetzte Stadt Akkon angriff, ein unabhängiges Fürstentum mit Beirut und Sidon. Mit
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