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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Jerusalem begann, griff der König häufig auch selbst [517] in diese Kämpfe ein. Anfang November 1191 scheiterte ein routinemäßig vorausgeschickter Erkundungstrupp, als eine Gruppe von Tempelrittern angegriffen wurde. Die Tempelritter befanden sich deutlich in der Minderheit, und als der König davon erfuhr, kam er ihnen in Begleitung von Andreas von Chauvigny und Robert, dem Earl von Leicester, unverzüglich zu Hilfe. Löwenherz erreichte den Ort des Geschehens »schäumend« vor Kampfeswut, er schlug zu wie ein »Donnerschlag« und trieb die Muslime schnell zum Rückzug.

    Lateinische Augenzeugen berichten, einige Gefährten des Königs hätten tatsächlich bezweifelt, ob er an jenem Tag klug gehandelt habe. Sie tadelten ihn, weil er sein Leben so bereitwillig aufs Spiel setzte, und ermahnten ihn: »Wenn Euch ein Unglück widerfährt, dann ist das der Tod der Christenheit.« Richard soll daraufhin wütend geworden sein: »Seine Gesichtsfarbe veränderte sich. Dann sagte er: ›Ich habe diese Soldaten hierher geschickt und habe sie gebeten, zu gehen, und wenn sie dort ohne mich sterben, dann will ich den Königstitel nicht mehr tragen.‹« Diese Episode zeigt ganz deutlich, wie entschlossen er war, als [518] Krieger-König in den vordersten Linien dieses Krieges zu agieren, aber es wird ebenso deutlich, dass er in diesem Stadium Risiken auf sich nahm, die sogar seinen engsten Beratern Sorgen bereiteten. Ganz sicher waren diese Kämpfe alles andere als ungefährlich. Nur wenige Wochen später brach sich Andreas von Chauvigny den Arm, als er bei einer Auseinandersetzung in der Nähe von Lydda einen muslimischen Gegner niederstach. 3
    Gespräche mit dem Feind
    Richard beteiligte sich mit größter Kühnheit an diesen Ausfällen ins Landesinnere, und doch war kämpferischer Einsatz in seiner Strategie nur eine Facette unter mehreren. Im gesamten Herbst und zu Beginn des Winters 1191 gehörten neben militärischer Bedrohung auch diplomatische Kontakte zu seinen Aktivitäten – möglicherweise hoffte er, Saladin mit der Kombination dieser beiden Strategien zur Unterwerfung zu zwingen, wodurch sich ein direkter Angriff auf Jerusalem erübrigt hätte.
    So hatte er schon wenige Tage nach der Schlacht bei Arsuf erste Versuche unternommen, wieder diplomatische Fühler zum Feind auszustrecken. Um den 12. September herum hatte er Humfried von Toron, den entmachteten früheren Ehemann Isabellas, ausgesandt; er sollte um Wiederaufnahme der Gespräche mit al-Adil bitten. Saladin kam der Bitte nach und gab seinem Bruder »die Erlaubnis, Gespräche zu führen, sowie die Vollmacht, selbständig zu verhandeln«. Einer der Vertrauten Saladins erklärte, dass »[Saladin] meinte, die Treffen seien in unserem Interesse, denn er spürte, dass seine Männer ermattet waren und enttäuscht von den Kämpfen, den Mühen und der Last der Pflichten auf ihrem Rücken«. Sehr wahrscheinlich spielte Saladin auch auf Zeit und war auf Informationen über den Feind aus. 4
    In den nun folgenden Monaten scheinen verlässliche Informationen ein hochgeschätztes Handelsgut gewesen zu sein, und offensichtlich waren in beiden Lagern Spione tätig. Ende September 1191 konnte Saladin in letzter Minute ein potentiell katastrophales Loch stopfen, als eine Gruppe von orientalischen Christen auf ihrem Weg durch die Berge von Judäa festgenommen und durchsucht wurde. Man fand Dokumente mit streng geheimen Angaben bei ihnen – Briefe des ajjubidischen Statthalters von Jerusalem an den Sultan, in denen dieser berichtete, dass es in [519] der Heiligen Stadt besorgniserregend an Getreide, Ausrüstung und Soldaten mangele –; die Christen hatten die Absicht, diese Dokumente König Richard vorzulegen. Um außerdem regelmäßigen Nachschub an fränkischen Gefangenen zur Befragung zur Verfügung zu haben, stellte Saladin 300 reichlich verrufene Diebe aus dem Volk der Beduinen ein, die in nächtlichen Aktionen Männer aus dem Lager der Franken entführten. Allerdings waren sowohl für die Lateiner als auch für die Muslime die Erkenntnisse der Spione von den Aktionen und Absichten des Feindes prinzipiell anfällig für Irrtümer. Saladin glaubte beispielsweise offensichtlich, Philipp August sei im Oktober 1191 gestorben. Noch verhängnisvoller war, dass Richard für den gesamten noch verbleibenden Zeitraum des Kreuzzugs die militärische Stärke Saladins chronisch überschätzte.
    Im Herbst und zu Beginn des Winters 1191 führte Richard regelmäßig Gespräche mit

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