Die Kreuzzüge
Denen schlitzten sie vor dem Grab Unseres Herrn den Bauch auf, und sie köpften die Priester, die im Ornat an den Altären die heilige Messe lasen.« Sie rissen die Marmoreinfassung herunter, die das Grab selbst umgab, dann öffneten und plünderten sie die Gräber der großen fränkischen Könige Palästinas wie Gottfrieds von Bouillon und Balduins I. Es hieß, dass sie »sehr viel mehr schändliche, schmutzige, zerstörerische Akte gegen Jesus Christus und die heiligen Stätten und die Christenheit begangen« hätten »als all die Ungläubigen dieses Landes je zuvor im Frieden oder im Krieg«. Als das Werk der Zerstörung und Schändung getan war, führte Berke Khan seine Streitkräfte in die Nähe von Gaza (in Südpalästina), wo er sich mit einem Heer von rund 5000 Kriegern aus Ägypten zusammenschloss. 15
Der Schock über diese Abscheulichkeiten trieb die Franken zum Handeln an. Sie verbündeten sich mit Ismail von Damaskus und einem weiteren muslimischen Dissidenten, dem Emir von Homs; dann setzten sie sich in Richtung Süden in Marsch, um die ägyptisch-choresmischen Truppen anzugreifen. Es gelang den Christen, aus den Reihen des fränkischen Adels und der Ritterorden rund 2000 Ritter sowie 10 000 Fußsoldaten zu versammeln. Dieses Heer – das größte, das seit dem dritten Kreuzzug im Orient aufgestellt worden war – umfasste sämtliche kampffähigen Männer des lateinischen Königreichs. Doch selbst als die muslimischen Verbündeten dazustießen, waren sie immer noch in der Minderzahl. Die Frage nach der besten Strategie war umstritten. Der Emir [617] von Homs, der sich schon früher gegen die Choresmier behauptet hatte, riet zu Geduld und Vorsicht: Man solle erst ein gut verteidigtes Lager aufbauen, den Männern unter Berke Khan werde dann der lange Atem fehlen, und sie würden sich zerstreuen. Die auf einen Kampf erpichten, allzu selbstbewussten Lateiner jedoch verwarfen diesen weisen Ratschlag. Am 18. Oktober 1244 griffen sie an, und es kam auf der Sandebene in der Nähe des Dorfes La Forbie (nordöstlich von Gaza) zur Schlacht.
Für die Franken und ihre Verbündeten entwickelte sich die Schlacht zu einem kompletten Desaster. An Zahl waren sie nicht klar überlegen, daher mussten sie sich auf präzise Koordination und eine Portion Glück verlassen – und beides blieb aus. Zu Beginn scheinen die Lateiner und die Soldaten aus Homs durchaus erfolgreich gekämpft zu haben, und sie konnten ihre Stellung gut halten. Angesichts der nicht nachlassenden choresmischen Angriffe jedoch verloren die Truppen aus Damaskus die Nerven und flohen. Da ihre Formation nun aufgebrochen war, konnten die franko-syrischen Verbündeten schnell umzingelt werden, und obwohl sie, selbst als die Zahl der Opfer immer mehr anstieg, tapfer weiterkämpften, endete der Tag mit einer Niederlage. Die Verluste waren niederschmetternd: Von den 2000 Mann aus Homs waren 1720 getötet oder gefangen genommen worden; von 348 Templern entkamen nur 36; der Deutsche Orden verlor von ursprünglich 440 Rittern alle bis auf drei. Der Großmeister der Templer wurde gefangen genommen, sein Amtsbruder bei den Johannitern erschlagen. Diese Katastrophe war der Schlacht von Hattin im Jahr 1187 durchaus vergleichbar – ein vernichtender Schlag, der Outremers militärische Stärke in Grund und Boden stampfte. In den darauffolgenden Monaten wurde ein halbes Jahrhundert allmählicher territorialer Erholung vollkommen zunichte gemacht.
In einem Zustand fassungslosen Entsetzens versammelten sich die wenigen Überlebenden der Franken in jenem Sommer in Akkon, »sie klagten, jammerten und weinten, als sie dahinzogen, es war herzzerreißend, sie zu hören«. Sie schickten Warnungen nach Zypern und Antiochia, und Bischof Galeran von Beirut wurde entsandt, »um an den Papst und die Könige von Frankreich und England nachdrückliche Botschaften zu überbringen und zu betonen, wenn nicht schnelle Entscheidungen bezüglich des Heiligen Landes getroffen würden, dann wäre es bald [618] vollständig und unwiederbringlich verloren«. 16 Die herben Rückschläge des Jahres 1244, die zu diesem flehentlichen Appell geführt hatten, erinnerten an die Hilferufe, die 50 Jahre zuvor den dritten Kreuzzug ausgelöst hatten. In der Zwischenzeit hatten sich die Grundlagen der christlichen Vorstellung vom heiligen Krieg allerdings verschoben: Die Gebräuche waren andere geworden; die Begeisterung hatte nachgelassen oder sich auf andere Objekte gerichtet. In dieser veränderten
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