Die Kreuzzüge
Realität des 13. Jahrhunderts muss eine Frage die levantinischen Franken ganz besonders beschäftigt haben: Würde es dem lateinischen Westen noch einmal gelingen, ein schlagkräftiges Kreuzzugsheer aufzustellen, mit dessen Hilfe das Heilige Land gerettet werden konnte?
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[619] EIN HEILIGER IM KRIEG
G aleran, Bischof von Beirut, traf mit seiner Botschaft von La Forbie und der Zerschlagung des fränkischen Heeres im Jahr 1245 im Westen ein. Ende Juni nahm er an einem Konzil teil, das der neue Papst Innozenz IV. nach Lyon einberufen hatte – der päpstliche Hof war wegen der Konflikte mit Kaiser Friedrich II. aus Italien geflohen. Doch so prekär die Notlage Outremers auch war, hatten der Papst und seine Prälaten doch dringlichere Probleme, allen voran ihr eigenes Überleben. Friedrichs Exkommunikation wurde bestätigt, und diesmal wurden ihm offiziell seine Kronrechte auf das Heilige Römische Reich und Sizilien abgesprochen, was zu offenem Krieg zwischen dem Papsttum und dem Reich der Staufer führte. Innozenz IV. musste sich außerdem um die Versorgung Romanias, des lateinischen Königreichs in Konstantinopel, kümmern, das dem endgültigen Zusammenbruch immer näher kam. Der Papst stimmte dem Aufbruch zu einem neuen Kreuzzug in den Vorderen Orient zwar zu und setzte den französischen Kardinalbischof Odo von Châteauroux als päpstlichen Legaten für die Kampagne ein, aber es war offensichtlich, dass die Krise in der Levante keinesfalls oberste Priorität hatte.
Auch die Aussichten, von den mächtigen Königen im lateinischen Europa Unterstützung zu bekommen, waren für Bischof Galeran offensichtlich minimal. Kaiser Friedrich war eindeutig nicht in der Lage, Europa zu verlassen. Heinrich III. von England befand sich mitten in einem Machtkampf mit der übermächtigen Aristokratie seines Landes, er versuchte sogar, Galeran zu verbieten, seine Kreuzzugspredigten auf englischem Boden zu halten. Es gab nur einen einzigen König, der aus diesem Sumpf aus lokalen Sorgen und Gleichgültigkeit herausragte und auf den Hilferuf aus Outremer reagierte, der bereit war, sich für den Krieg im Heiligen Land einzusetzen: Ludwig IX. von Frankreich, der später von der römischen Kirche heiliggesprochen wurde.
[620] König Ludwig IX. von Frankreich
1244 war König Ludwig 30 Jahre alt. Er war eher schmächtig, mit heller Haut und blonden Haaren, und er gehörte einer Dynastie mit reicher Kreuzzugserfahrung an, stammte er doch direkt von kapetingischen Königen wie Ludwig VII. und Philipp II. August ab, die am heiligen Krieg teilgenommen hatten. König Ludwig IX. übernahm ein Reich, das sich im Vergleich mit seiner Schwäche zu Beginn des frühen 12. Jahrhunderts grundlegend gewandelt hatte.
Philipp II. August hatte sich in seiner langen Regierungszeit von 43 Jahren als begabter Herrscher erwiesen, der die Staatsführung und die Finanzverwaltung in Frankreich enorm verbessern konnte. Erfolgreich waren auch die Auseinandersetzungen mit England, die in der Eroberung der Normandie und ausgedehnter Gebiete des angevinischen Territoriums in Westfrankreich gipfelten.
Nach Philipp Augusts Tod im Jahr 1223 lebte auch sein Sohn Ludwig VIII. nur noch drei Jahre. Ludwig IX. war erst zwölf Jahre alt, als die Königswürde auf ihn überging. Seine Mutter Blanche von Kastilien, eine starke Persönlichkeit, übernahm die Regentschaft und regierte mit sicherer Kompetenz; ihrem Sohn war es auch mit 30 Jahren noch nicht ganz gelungen, aus ihrem übermächtigen Schatten herauszutreten.
Ganz offenbar war er ein frommer Christ. Es war bekannt, dass er täglich die Messe besuchte und großes Interesse an Predigten hatte. 1238 erwarb er die Dornenkrone Christi, die während des vierten Kreuzzugs in Konstantinopel erbeutet und anschließend vom mittellosen Herrscher Romanias verkauft worden war. Im darauffolgenden Jahrzehnt ließ Ludwig für diese Reliquie aus der Passion Christi eine herrliche neue Kirche in Paris bauen, die Sainte-Chapelle, ein überwältigendes Monument der technisch avancierten gotischen Architektur, die sich mittlerweile in ganz Westeuropa durchgesetzt hatte. Ludwig unterstützte außerdem großzügig die Klöster in ganz Frankreich. Im Umgang mit dem Papst zeigte der Kapetinger die gebotene Ehrerbietung vor der lateinischen Kirche, ohne sich jedoch in seiner königlichen Autorität oder in seinen eigenen religiösen Überzeugungen einschränken zu lassen. So ließ er zwar zu, dass die Nachricht von der Exkommunikation
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