Die Kreuzzüge
winzigen, isolierten Enklave hinter der Hafenstadt Latakia geschrumpft. Nun waren nur noch die exponierten Schatten von zwei Kreuzfahrerstaaten übrig: die Grafschaft Tripolis und das Königreich Jerusalem. 14
In dieser drei Jahre dauernden Phase intensiver Kämpfe hatte Sultan Baibars die unbesiegbare Stärke der mamlukischen Militärmaschinerie bewiesen, er hatte seinen persönlichen Eroberungshunger demonstriert und seine Bereitschaft, sich bedingungslos für den Dschihad zu engagieren, und schließlich hatte er den erbärmlichen Zustand der Franken offengelegt. 1269 gewährte er seinen siegreichen Truppen eine Atempause und erlaubte sich selbst im Sommer dieses Jahres den Luxus der Pilgerfahrt nach Mekka, obwohl er sogar diese Reise inkognito unternahm, um das Sultanat durch seine Abwesenheit nicht für Bedrohungen, [683] sei es von außen oder von innen, verwundbar zu machen. Nachdem er dann diesen Beweis für seine Treue zum Islam erbracht hatte, kehrte er nach Syrien zurück und unternahm während der Herbstwochen eine Reise durch seine Territorien. Zu dieser Zeit war er offenbar felsenfest davon überzeugt, dass es ihm gelingen werde, die letzten Spuren lateinischer Besiedlungen endgültig zu beseitigen und jegliche neue Bedrohung durch eine Invasion der Mongolen abzuschmettern.
Dann jedoch erreichten die Berichte über die Verwüstung Outremers und die Heimsuchung der Levante durch die entsetzlichen Mamluken das Abendland. Alte und neue Kämpfer nahmen das Kreuz und wandten sich nach Osten – um einer letzten Chance willen, das Heilige Land zurückzugewinnen.
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[684] RÜCKGEWINNUNG DES HEILIGEN LANDES
I n den ausgehenden 1260er-Jahren war von den einst mächtigen Kreuzfahrer-Siedlungen in Outremer nur noch wenig übrig. Das Gebiet der Franken war reduziert auf einen Küstenstreifen, der von der Pilgerburg der Templer im Süden Haifas durch Akkon, Tyros, Tripolis und Margat bis zum Vorposten Latakia verlief. Nur eine Handvoll Burgen im Landesinnern hatte standgehalten, darunter Montfort, das Hauptquartier des Deutschen Ordens, und die mächtige Johanniterfestung Krak des Chevaliers. Unter den Franken schwelten interne Rivalitäten: Es gab mehrere Anwärter auf den Thron von Jerusalem, die Kaufleute aus Venedig und Genua kämpften um Handelsrechte, und sogar die Ritterorden waren in kleinliche Streitigkeiten verstrickt. Der Schock über die Eroberung Antiochias im Jahr 1268 trug in keiner Weise dazu bei, diesen Sog in den Abgrund von Uneinigkeit und Zerfall aufzuhalten.
Sultan Baibars hingegen hatte bedeutende Siege gegen die Christen erstritten und sein Engagement für den Dschihad mit aller Deutlichkeit unter Beweis gestellt. Sein erbarmungsloses Vorgehen im heiligen Krieg hatte die Kreuzfahrerstaaten in einen Zustand der Verwundbarkeit versetzt, der fast an Wehrlosigkeit grenzte. Doch durfte der Sultan die Bedrohung nicht außer Acht lassen, die von den Mongolen ausging. Die Probleme in Mesopotamien, Kleinasien und Russland, die sie jahrelang zur Bewegungslosigkeit verurteilt hatten – darunter langwierige dynastische Umwälzungen sowie die offene Feindschaft zwischen der Goldenen Horde und dem Ilkhanat Persien –, waren auf dem besten Weg, gelöst zu werden. Abaqa, ein starker neuer Ilkhan, war 1265 an die Macht gekommen und hatte umgehend Pläne für eine antimamlukische Allianz mit dem Abendland geschmiedet. Es drohte ein weiterer Angriff des Ilkhanats auf den Islam. Doch im Frühjahr 1270, gerade als Baibars erwog, wie mit dieser Bedrohung aus dem Norden umzugehen sei, erreichte ihn in [685] Damaskus die Nachricht, dass die Franzosen sich auf einen neuen Kreuzzug vorbereiteten. Der Sultan erinnerte sich nur allzu deutlich an die Verwüstungen, die mit der letzten Invasion der Lateiner im Jahr 1249 in Ägypten verbunden waren, und kehrte umgehend nach Kairo zurück, um die muslimische Verteidigung aufzustellen.
DER ZWEITE KREUZZUG LUDWIGS IX.
In Rom war Papst Clemens IV. zutiefst beunruhigt von den brutalen Militäraktionen der Mamluken, die 1265 begonnen hatten. Ihm war klar, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis das Heilige Land gänzlich verloren war; daher begann er im August 1266, Pläne für einen relativ bescheidenen, dafür schnell in Gang zu bringenden Kreuzzug zu schmieden. Er rekrutierte mehrere Truppen, überwiegend aus den Niederlanden, die er anwies, spätestens bis zum April 1267 aufzubrechen; außerdem begann er Koalitionsgespräche mit Abaqa und dem byzantinischen
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