Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
Vom Netzwerk:
lateinischer Besucher, der zum ersten Mal in Palästina war, dass die Heilige Stadt noch immer nach Tod und Verwesung stank.
    Die andere Wahrheit über die Eroberung Jerusalems, die nicht zu leugnen ist: Die Kreuzfahrer waren nicht einfach nur von Blutdurst oder Beutegier getrieben; es erfüllte sie auch tiefe Frömmigkeit und die echte Überzeugung, Gottes Werk auszuführen. Entsprechend ging der erste grauenhafte Tag des Plünderns und Abschlachtens mit einem Gottesdienst zu Ende. Als die Sonne am 15. Juli unterging, versammelten sich die Franken zu tränenreichem Dank an ihren Gott, ein Bild, das wie kaum ein zweites die uns paradox anmutende Vermischung von Gewalt und Glauben veranschaulicht. Ein lateinischer Zeitgenosse schildert freudig erregt, wie »die Kleriker und die Laien sich zum Grab des Herrn und zu seinem glorreichen Tempel begaben, sie sangen vor dem Herrn ein neues Lied mit lauter, jubelnder Stimme, sie brachten Opfer und flehten zum Herrn und besuchten voll Freude den heiligen Ort, nach dem sie sich schon so lange gesehnt hatten«. Nach Jahren verzweifelter Leiden und Kämpfe war das schreckliche Werk der ersten Kreuzfahrer vollendet: Jerusalem befand sich in christlicher Hand. 8
    NACHWIRKUNGEN
    Die Gedanken der Kreuzfahrer wandten sich bald der Frage zu, was nun mit ihrer neuen Eroberung geschehen sollte. Nachdem sie 3000 Kilometer unterwegs gewesen waren, um Jerusalem für die lateinische Christenheit [119] zurückzufordern, war allen klar, dass die Stadt nun regiert und verteidigt werden musste. Der Klerus äußerte die Überzeugung, dass ein Ort von so einzigartiger Heiligkeit nicht dem Regiment eines weltlichen Monarchen unterstellt werden dürfe; er forderte stattdessen, einen von Klerikern gelenkten Kirchenstaat mit Jerusalem als Hauptstadt zu schaffen. Da allerdings der griechische Patriarch von Jerusalem kürzlich im Exil auf Zypern gestorben war, gab es für diese Option keinen überzeugenden Kandidaten. Raimund von Toulouse liebäugelte mit der Stellung eines lateinischen Königs, doch seit Arqa war sein Ansehen stark zurückgegangen, und am 22. Juli 1099 übernahm Gottfried von Bouillon, der Architekt des Sieges der Kreuzfahrer, die Herrschaft. Als Verbeugung vor dem Klerus nahm er den Titel »Verteidiger des Heiligen Grabes« (advocatus sancti sepulchri) an, womit er zum Ausdruck brachte, dass er lediglich als Schutzherr Jerusalems aufzutreten gedachte. 9
    Da Graf Raimund sich in seinen ehrgeizigen Plänen ein weiteres Mal düpiert sah, unternahm er noch einen vergeblichen Versuch, den Davidsturm unter seine persönliche Herrschaft zu bringen, bevor er die Heilige Stadt zutiefst gekränkt verließ. In seiner Abwesenheit wurde der französisch-normannische Kreuzfahrer Arnulf von Chocques, ein Kritiker der Heiligen Lanze, zum neuen Patriarchen Jerusalems ernannt. Dass ein Lateiner dieses heilige Amt übernahm, war ein grober Verstoß gegen die Rechte der griechischen Kirche und brachte einen klaren Bruch mit der Politik einer Kooperation mit Byzanz zum Ausdruck. Bislang war Arnulfs Wahl, die der Zustimmung des Papstes bedurfte, noch unbestätigt, doch hinderte ihn das nicht daran, eine unwürdige Atmosphäre religiöser Intoleranz zu erzeugen. Innerhalb nur weniger Monate wurden ebenjene christlichen »Brüder« aus den verschiedenen Ostkirchen, die die Franken mit ihrem heiligen Krieg zu beschützen gedacht hatten, zu Verfolgten: Armenier, Kopten, Jakobiten und Nestorianer wurden aus der Grabeskirche vertrieben.
    Die neue Regierung festigte ihre Position, indem sie ihren eigenen Reliquienkult begründete, der die fatalen Erinnerungen an die Heilige Lanze auslöschen sollte. Um den 5. August herum wurde ein Stück des Wahren Kreuzes zur Schau gestellt. Man glaubte, in diesem Reliquiar, wahrscheinlich einem ziemlich abgenutzten Kruzifix aus Silber und Gold, sei ein Stück Holz von dem Kreuz aufgehoben, an dem Christus starb. Offenbar war es über Generationen muslimischer Herrschaft hinweg [120] von christlichen Einwohnern Jerusalems versteckt worden. Arnulf und seine Anhänger eigneten sich dieses angebliche Überbleibsel des Lebens Jesu an, und bald wurde es zum Wahrzeichen der neuen lateinischen Herrschaft über Jerusalem – Symbol für den Sieg der Franken und die Wirksamkeit der Kreuzzugsidee.
    Die letzte Schlacht
    Weder der Patriarch noch Gottfried von Bouillon hatten die Möglichkeit, ihren neu erworbenen Status lange zu genießen. Anfang August traf die Nachricht ein, al-Afdal sei

Weitere Kostenlose Bücher