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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Kreuzzug mit anderen Konfliktherden in Verbindung zu bringen, war der Beginn des 12. Jahrhunderts nicht von überbordender Begeisterung für den Kreuzzugsgedanken gekennzeichnet. Erst einige Jahrzehnte später erhob sich der fränkische Westen selbst, um Kriegszüge zur Verteidigung des Heiligen Landes zu unternehmen, die sich an Umfang mit denen der Jahre 1095 und 1101 vergleichen ließen. Die Lateiner, die nach der Eroberung Jerusalems in der Levante geblieben waren, waren damit bis auf Weiteres gefährlich isoliert.
    ERINNERUNG UND VORSTELLUNG
    Der Erfolg des ersten Kreuzzugs versetzte die lateinische Christenheit in einen Zustand betäubten Staunens. Für viele Menschen war die einzige Erklärung für das Überleben der Kreuzfahrer in Antiochia und ihren letzten Triumph in Jerusalem das direkte Eingreifen Gottes. Wäre das ganze Unternehmen im Vorderen Orient gescheitert, dann hätte der Kreuzzugsgedanke wohl keine weitere Wirkung entfaltet. So wie die Dinge lagen, beflügelte der Sieg der Kreuzfahrer den Enthusiasmus für diese neue Form frommer Kriegsführung viele Jahrhunderte lang: Der erste Kreuzzug wurde das wohl am häufigsten beschriebene Ereignis des Mittelalters.
    Die Konfigurierung der Kreuzzugserinnerung in Westeuropa
    Die Arbeit an der Erinnerung an den Kreuzzug begann fast unmittelbar nach seinem Ende, als einige Teilnehmer in den ersten Jahren des 12. Jahrhunderts sich daranmachten, den Feldzug zu dokumentieren und zu rühmen. Das einflussreichste Zeugnis, die Gesta Francorum (»Taten der Franken«), wurde um das Jahr 1100 in Jerusalem abgefasst, wahrscheinlich von einem adligen normannischen Kreuzfahrer aus Süditalien mit einem gewissen Bildungshintergrund. Der Bericht erweckt zwar den Anschein, auf den eigenen Erfahrungen seines anonymen Verfassers zu beruhen, doch darf er nicht als Niederschrift eines echten Augenzeugen von der Art eines Tagebuchs angesehen werden. Vielmehr übernahm der Verfasser der Gesta Francorum eine neue Methode, die Vergangenheit darzustellen, wie sie sich im europäischen Mittelalter gerade als Alternative [125] zur traditionellen Chronik, die streng nach der Abfolge der Jahre vorging, herauszubilden begann: Er destillierte aus der Erfahrung von vielen tausend Teilnehmern eine einzige, umfassende Erzählung, die erste Historia des Kreuzzugs, einen Bericht epischen Ausmaßes mit heroischen Dimensionen. Andere Veteranen des Kreuzzugs wie Raimund von Aguilers, Fulcher von Chartres und Peter Tudebode benutzten die Gesta Francorum als eine Art Ausgangstext, von dem aus sie ihre eigenen erzählenden Berichte verfassten – eine Form von Plagiat, die in dieser Epoche durchaus nichts Ungewöhnliches war. Moderne Gelehrte stützten sich auf diese Materialsammlung sowie auf die Briefe, die Kreuzfahrer während ihrer Reise abgefasst hatten, um die lateinische Sicht auf das Geschehen zu rekonstruieren. Durch den Vergleich dieser Zeugnisse mit außerfränkischen Quellen (von Muslimen, Griechen, Christen aus der Levante und Juden) versuchten sie, ein möglichst genaues Bild dessen zu zeichnen, was auf dem ersten Kreuzzug wirklich passierte – ein Verfahren, das man als empirische Rekonstruktion bezeichnen könnte. 12
    Im ersten Jahrzehnt des 12. Jahrhunderts machten sich jedoch auch einige Lateiner in Europa daran, eine Geschichte des Kreuzzugs zu schreiben – oder besser gesagt umzuschreiben. Besonders drei unter ihnen – Robert von Reims (Robert der Mönch), Guibert von Nogent und Balderich von Bourgueil – sind von Bedeutung, weil ihre Berichte sich besonderer Popularität erfreuten. Alle drei waren hochgebildete Benediktiner, sie lebten in Nordfrankreich und hatten mit dem heiligen Krieg außerhalb Europas selbst keine Erfahrungen gesammelt. Sie arbeiteten fast zur gleichen Zeit, doch offenbar ohne voneinander zu wissen. Alle drei Mönche boten neue Darstellungen vom ersten Kreuzzug, und als Grundlage für ihre Arbeit benutzten sie die Gesta Francorum . Eigenen Angaben zufolge taten sie dies, weil ihrer Meinung nach die Gesta in »ungehobelter Weise« und »unschöner, kunstloser Sprache« abgefasst waren. Robert, Guibert und Balderich taten jedoch weitaus mehr, als nur das mittelalterliche Latein der Gesta aufzupolieren. Sie fügten der Geschichte neue Details hinzu, indem sie manchmal Informationen aus anderen »Augenzeugen«-Texten verwendeten, wie etwa dem Bericht Fulchers von Chartres, manchmal mündliche Zeugnisse von Teilnehmern verwendeten, vielleicht auch einiges aus

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