Die Kreuzzüge
behinderte ihre Flucht. Ihre Pferde waren nutzlos.
In der Schlacht rasten die Lateiner in die dicht gedrängten Reihen der entsetzten muslimischen Kämpfer hinein, töteten jeden, der ihnen in die Quere kam, und der Widerstand Aleppos brach in sich zusammen. Ridwan [160] brachte sich in panischem Schrecken rasch in Sicherheit, wobei er seine Fahne verlor, und Tankred blieb als Sieger auf dem Feld zurück, reich an Beute und Ruhm.
Die Schlacht von Artah markiert in der Geschichte der nördlichen Kreuzfahrerstaaten eine Art Wasserscheide. In den wenigen Jahren danach gelang es Tankred ohne große Mühe, die Verluste, die sich aus der Niederlage bei Harran ergeben hatten, wettzumachen. Artah wurde unverzüglich zurückerobert, ebenso kurz darauf die Städte der Summaq-Region. Ridwan bat um Frieden; er war bemüht, als gehorsamer Verbündeter aufzutreten, und Tankred konnte sich nun, da der Grenzbereich zwischen Antiochia und Aleppo gesichert war, anderen schwierigen Vorhaben zuwenden. Um das Jahr 1110 herum hatte er auf Kosten der Griechen die Herrschaft Antiochias über Kilikien und Latakia für lange Zeit wieder gesichert. Gleichzeitig stabilisierte er die südlichen Verteidigungslinien des Fürstentums gegen einen anderen, zweifellos aggressiven muslimischen Nachbarn, die Stadt Shaizar, indem er die benachbarte alte römische Siedlung Apamea einnahm. Für Tankred selbst bedeutete der Erfolg des Jahres 1105 auch eine Festigung seiner eigenen Stellung; sehr bald herrschte er nicht mehr so sehr als Vertreter Bohemunds, sondern als eigenständiger Fürst. Dabei kam ihm auch zustatten, dass der Stern seines berühmten Onkels deutlich im Sinken begriffen war. 17
Bohemunds Kreuzzug
Bohemund von Tarent brach im Herbst 1104 nach Europa auf. Später wurde unter den Griechen gemunkelt, er habe zu einer absonderlichen List gegriffen, um zu vermeiden, dass byzantinische Spione ihn während seiner Reise über das Mittelmeer festhielten: Er habe seinen eigenen Tod vorgetäuscht und sei in einem mit unsichtbaren Luftlöchern versehenen Sarg gen Westen gereist. Um die Täuschung komplett zu machen, habe er neben dem verrottenden Kadaver eines erdrosselten Hahns gelegen; so sollte sichergestellt werden, dass sein eigener »Leichnam« einen angemessen widerwärtigen Fäulnisgestank ausströmte. In der Tat konnte sich Anna Komnena, die Tochter des Kaisers Alexios, eine gewisse Bewunderung für Bohemunds unbezwingbaren »barbarischen« Geist nicht verkneifen, als sie schrieb: »Ich frage mich, wie er um Himmels willen einen solchen Angriff auf seine Nase aushalten und trotzdem weiterleben konnte.«
[161] Wie auch immer sich seine Reise gestaltet haben mag – bei seiner Ankunft in Italien Anfang 1105 brandete ihm jedenfalls eine Woge begeisterter Verehrung entgegen. Der selbsternannte Held des ersten Kreuzzugs war zurückgekehrt. Schnell gewann er die Unterstützung Paschalis’ II., des Nachfolgers von Papst Urban, für einen neuen Kreuzzug, zu dem er in den nächsten beiden Jahren aufrief und dafür Italien und Frankreich bereiste. Unterwegs erfüllte er sein Gelübde, das Grab des heiligen Leonhard in Noblat aufzusuchen, wo er als Zeichen der Dankbarkeit für seine Befreiung aus der Gefangenschaft im Jahr 1103 und als Geschenk für den Heiligen silberne Ketten niederlegte. Außerdem sorgte er wohl für die Abschrift und Verteilung einer tendenziösen erzählerischen Darstellung des ersten Kreuzzugs in der Art der Gesta Francorum , die seine eigenen Taten stark in den Vordergrund rückte und gleichzeitig den Ruf der Griechen kräftig ramponierte. Da Bohemunds Ruhm noch immer zunahm und seine Aufrufe große, enthusiastische Menschenmengen zu mobilisieren vermochten, gelang es ihm, eine eheliche Verbindung zu arrangieren, die ihn in die höchsten Ränge der französischen Aristokratie katapultierte. Im Frühjahr 1106 heiratete er Prinzessin Konstanze, die Tochter des Königs von Frankreich; ungefähr zur selben Zeit verlobte sich Tankred mit Cäcilia, einer der nicht-ehelichen Töchter des Königs. Bohemund nutzte seine Hochzeitsfeierlichkeiten in Chartres dazu, für den neuen Kreuzzug zu werben, wobei er auch eine flammende Angriffsrede gegen seinen erklärten Feind Alexios Komnenos hielt, der, wie er behauptete, die Kreuzfahrer der Jahre 1098 und 1101 verraten und in Antiochia überfallen habe.
Ende 1106 kehrte Bohemund nach Süditalien zurück, um den Bau der Kreuzfahrerflotte zu überwachen, nachdem er viele tausend Männer
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