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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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für seine Sache gewonnen hatte. Doch trotz des Umfangs der Streitmacht, die sich ein Jahr später in Apulien versammelte – um die 30 000 Mann, die von einer Flotte von über 200 Schiffen über das Meer gebracht werden sollten –, sind sich die Historiker uneinig über die Natur dieser Unternehmung. Es herrscht allgemeiner Konsens, dass diese Kampagne, die auf das griechisch-christliche Reich von Byzanz zielte, nicht als Kreuzzug im eigentlichen Sinn gelten kann oder zumindest als Perversion des Kreuzzugsidee bezeichnet werden muss. Natürlich hatte das Unternehmen einige auffallende Ähnlichkeiten mit dem ersten Kreuzzug: Die Teilnehmer legten ein Gelübde ab, sie trugen das Symbol des [162] Kreuzes auf der Kleidung und erhofften sich von der Teilnahme die Vergebung ihrer Sünden. Letztlich hing alles von der Frage ab, wie der Papst dazu stand. Es wäre doch gewiss undenkbar, so die Argumentation, dass der Papst einem Feldzug, der gegen Mitchristen gerichtet war, den privilegierten Status eines Kreuzzugs zugebilligt hätte; viel eher müsse man annehmen, Bohemund habe, getrieben von Ehrgeiz und Hass, Paschalis II. getäuscht und vorgegeben, dass seine Truppen in der Levante kämpfen sollten.
    Mit dieser Sicht der Dinge steht man jedoch vor unlösbaren Problemen. Die meisten zeitgenössischen Zeugnisse lassen nämlich darauf schließen, dass der Papst von Bohemunds Absichten wusste und ihn trotzdem unterstützte, ja sogar einen päpstlichen Gesandten freistellte, der die Predigtkampagnen in Frankreich und Italien begleitete und bekräftigte. Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Papst in die Irre geführt wurde, waren zweifellos sehr viele rekrutierte Laien gern bereit, sich einem Kreuzzug gegen die Griechen anzuschließen. Tatsächlich ist die Tendenz, Bohemunds Unternehmung als Perversion der Kreuzfahreridee darzustellen, symptomatisch für ein tiefer gehendes Missverständnis: für die Annahme, dass Theorie und Praxis der Kreuzzüge sich bereits so weit konsolidiert hatten, dass sie ein scharf umrissenes Gesamtbild ergaben. Für die meisten Menschen im Westeuropa des 12. Jahrhunderts hatte diese neue Art frommer Kriegsführung keine deutlich fassbare Identität und befand sich nach wie vor in ständiger, organischer Entwicklung. In den Augen dieser Menschen mussten Kreuzzüge nicht notwendig gegen Muslime geführt werden, und viele akzeptierten bereitwillig die Vorstellung, gegen Alexios Komnenos einen heiligen Krieg zu führen, nachdem er erst einmal als Feind der lateinischen Christenheit in den Köpfen der Menschen verankert war.
    Doch unabhängig davon, wie man den Hintergrund des »Kreuzzugs« der Jahre 1107/1108 bewertet – die Unternehmung selbst entwickelte sich zu einem katastrophalen Chaos. Die Lateiner überquerten die Adria im Oktober 1107 und belagerten dann die Stadt Durazzo (im heutigen Albanien), die von den Zeitgenossen als »westliches Tor zum [griechischen] Imperium« angesehen wurde. Aber trotz seiner militärischen Erfahrungen wurde Bohemund von Alexios überlistet, der seine Streitkräfte dafür einsetzte, die Versorgungslinien der Invasoren zu durchtrennen, und gleichzeitig sorgfältig eine direkte Konfrontation vermied. Geschwächt [163] von Hunger; unfähig, die Verteidigungsanlagen Durazzos zu überwinden, kapitulierten die Lateiner im September des Jahres 1108. Bohemund wurde gezwungen, einem erniedrigenden Friedensabkommen zuzustimmen, dem Vertrag von Devol. Dieser bestimmte, dass Bohemund als Untertan des Kaisers zwar lebenslang Fürst von Antiochia bleiben sollte, aber der griechische Patriarch musste in der Stadt wieder eingesetzt werden; außerdem wurde das Fürstentum dadurch geschwächt, dass Kilikien und Latakia Byzanz direkt unterstellt wurden.
    Unter den gegebenen Umständen wurde das Abkommen nicht umgesetzt und hatte kaum Auswirkungen auf spätere Ereignisse, denn Bohemund kehrte nie mehr in die Levante zurück. Nachdem er sich im Herbst des Jahres 1108 zu Schiff nach Italien zurückgezogen hatte, taucht er nur noch schemenhaft in Chroniken auf, sein Ruf war dahin, seine hochfliegenden Träume und ehrgeizigen Ziele zerstoben. Konstanze gebar ihm um das Jahr 1109 herum einen Sohn, der ebenfalls Bohemund genannt wurde, doch im Jahr 1111 wurde der einst strahlende Befehlshaber des ersten Kreuzzugs krank, und am 7. März starb er in Apulien. In Antiochia blieb Tankred an der Macht, vielleicht nominell noch immer als Regent, aber faktisch blieb seine Autorität

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