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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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unter den Franken unangefochten. Aus der Perspektive Outremers hatte die spätere Entwicklung der Geschichte Bohemunds immerhin ein Gutes: Sein Balkanfeldzug lenkte die griechische Aufmerksamkeit von der Levante ab, und so konnte Tankred die Herrschaft in Antiochia auf Dauer für sich beanspruchen. 18
    HERRSCHER IM HEILIGEN KÖNIGREICH
    Tankreds Drang, das Fürstentum Antiochia zu erweitern und seinen Reichtum und seinen Einfluss über die Grenzen hinaus zu vergrößern, nahm nach 1108 immer weiter zu, und er legte unveränderte Bereitschaft an den Tag, diese Ziele mit allen Mitteln zu verfolgen, was nicht einmal ausschloss, dass er mit muslimischen Verbündeten gegen seine lateinischen Landsleute kämpfte. Über die nächsten fünf Jahre war er unermüdlich am Werk, und er stützte sich auf einen anscheinend unerschöpflichen Fundus an Kriegsressourcen, der ihm nahezu ständige militärische Einsätze ermöglichte. Er setzte seine Nachbarn und Gegner mit [164] einer Mischung aus Gebietseroberungen, politischem Zwang und wirtschaftlicher Ausbeutung unter Druck, und er stand kurz davor, ein antiochenisches Imperium in der Levante aufzubauen.
    Die Grafschaften Edessa und Tripolis
    Zwischen 1104 und 1108 hatte Antiochia faktisch die Oberherrschaft über die Grafschaft Edessa. Als Tankred die Regentschaft über das Fürstentum im Herbst 1104 übernahm, setzte er seinen Schwager und Landsmann, den Normannen und Teilnehmer am ersten Kreuzzug Richard von Salerno, als Regenten von Edessa ein. Richard war zwar nicht populär, doch blieb der Einfluss Antiochias während der gesamten Zeit der Gefangenschaft Balduins II. unangefochten.
    Antiochia unternahm keine größeren Anstrengungen, die Freilassung des Grafen zu erwirken. Im Sommer 1104, als die Türken, die Balduin gefangen genommen hatten, zum ersten Mal ein Lösegeld auszuhandeln versuchten, zeigte sich bereits Bohemund abweisend. Statt den Aufwand zu vergelten, mit dem Balduin die Freisetzung Bohemunds im Jahr 1103 betrieben hatte, zog der Fürst es vor, die Kontrolle über Edessas beträchtliche agrarische und kommerzielle Reichtümer selbst in der Hand zu behalten, die auf einen Umfang von 40 000 Gold-Bezant pro Jahr geschätzt wurden. Und als dann Tankred das Ruder im fränkischen Syrien übernommen hatte, zog er seinen Nutzen aus diesen Einkünften und ignorierte geflissentlich Balduins Misere.
    Im Jahr 1107 war der Kampfgenosse des Grafen, Joscelin von Courtenay, Herr von Tell Bashir, von der Bevölkerung der Stadt als Geisel genommen worden, und im Jahr darauf hatte Joscelin erfolgreich Balduins Befreiung von Mosul erwirkt. Der türkische Kriegsherr Chavli, damals Herrscher über Mosul, stimmte der Freilassung schließlich zu. Da er jedoch genau wusste, wie gefährdet seine eigene Position und wie zerstörerisch für alle Seiten die innerislamischen Streitigkeiten im Vorderen Orient waren, verlangte er nicht nur ein Lösegeld in barer Münze nebst Geiseln, sondern auch eine Zusage zu militärischer Zusammenarbeit.
    Als Balduin im Sommer des Jahres 1108 seinen eigenen Anspruch auf Edessa anmeldete, ergab sich eine spannungsgeladene Pattsituation. Tankred, der vom Reichtum der Grafschaft über vier Jahre lang gern profitiert hatte, gedachte nicht, ein Gebiet, das er selbst vor einer Eroberung [165] gerettet hatte, einfach wieder auszuhändigen; er versuchte nun, Balduin zu zwingen, einen Lehnseid abzulegen: Schließlich, so seine Begründung, sei auch in der Vergangenheit Edessa der Vasall des byzantinischen Herzogtums Antiochia gewesen. Der Graf weigerte sich, nicht zuletzt, weil er bereits im Jahr 1100 gegenüber Balduin von Boulogne seinen Treueeid abgelegt hatte. Keine Seite war zu einem Kompromiss bereit; ein Konflikt schien unausweichlich.
    Anfang September stellten beide ihre Truppen auf. Vor kaum zehn Jahren war Jerusalem eingenommen worden, und schon waren Balduin und Tankred – beide Lateiner, beide bewährte Kreuzfahrer – bereit und gewillt, in offener Schlacht gegeneinander anzutreten. Noch erschreckender war, dass Balduin neben seinem neuen Verbündeten, Chavli von Mosul, und rund 7000 muslimischen Kämpfern antrat. In der Schlacht, die wahrscheinlich in der Nähe von Tell Bashir stattfand, gelang es Tankred, obwohl sein Heer in der Minderzahl war, sich zu behaupten. Allerdings waren ungefähr 2000 Christen auf beiden Seiten gefallen, und Patriarch Bernard, das kirchliche Oberhaupt von Antiochia wie von Edessa, griff vermittelnd in den Streit ein.

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