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Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier

Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier

Titel: Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Grimbert
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wen er ins Vertrauen gezogen hatte: Außer seinen Eltern waren das noch Corenn, Grigän und ihr Sohn Amanon, den er als seinen Cousin betrachtete. Aber Leti und Yan waren in Eza, einen ganzen Tagesritt entfernt, und weder die Großtante noch ihr Ehemann ließen sich im Großen Haus blicken. Was Amanon betraf, so wusste man nie genau, in welchem fernen Land der bekannten Welt er gerade steckte. Vermutlich hielt er sich noch in den Unteren Königreichen auf.
    Helfen konnten sie ihm ohnehin nicht. Aber wenn sie bei ihm waren, fiel es Cael leichter, sich zu beruhigen und die Stimme zurückzudrängen. Dass er Corenn nicht finden konnte, bewirkte das Gegenteil. Sein Gehirn pochte wie ein verwundetes Herz und schickte den Schmerz wie Wellen in den Nacken und unter die Schädeldecke. Wenn er wenigstens etwas gegen diese Migräne tun könnte! Doch keiner der Tränke, Sude oder Heiltees, die er im Laufe der Jahre ausprobiert hatte, linderte seine Qualen.
    Von der letzten Lektion, einer mathematischen Einführung in das romische Alphabet, bekam er kaum etwas mit. In seinem Kopf dröhnte es so laut, dass er sich auf nichts konzentrieren konnte. Leider wirkte sich das auch auf sein Zeitgefühl aus, und der ohnehin schon trockene Unterricht zog sich schier endlos hin – bis plötzlich ein Laufbursche ins Klassenzimmer stürzte und der Lehrerin eine Nachricht überreichte. Nachdem sie den Zettel überflogen hatte, wandte sie sich der Klasse zu.
    »Cael, deine Tante erwartet dich im alten Gerichtssaal«, sagte sie nur. »Na los, pack deinen Ranzen.«
    Das musste sie ihm nicht zweimal sagen. Bei der Aussicht, vom Unterricht entlassen zu werden, tat ihm der Kopf gleich viel weniger weh.
    »Hier steht, dass du für einige Tage vom Unterricht befreit wirst«, fügte die Lehrerin hinzu. »Wie du die versäumten Lektionen nachholen kannst, werden wir besprechen, wenn du zurück bist, einverstanden?«
    Cael versprach es ihr hastig, verabschiedete sich mit einem Nicken von der Klasse und stürmte auf den Flur hinaus. Er wusste nicht, warum Corenn ihn zu sich rief, aber er war ihr sehr dankbar!
    Sein Weg durch das Labyrinth der Flure im Großen Haus erinnerte ihn an seinen Ausflug in der vergangenen Nacht. Allerdings herrschte jetzt überall große Betriebsamkeit. Emsig eilten die Gehilfen der Ratsfrauen zwischen den unzähligen Schreibstuben des Ständigen Rats hin und her. Irgendwann wusste der Junge gar nicht mehr, in welcher Richtung der alte Gerichtssaal lag. Wenn er sich recht erinnerte, diente er nur noch als Archiv. Warum hatte Corenn ihn wohl ausgerechnet dorthin bestellt?
    Nach etlichen Umwegen fand Cael endlich den richtigen Trakt, einen der ältesten Flügel des Hauses, in dem mehrere Gänge zu winzigen Schreibstuben führten. Dieser Teil des Erdgeschosses lag abseits vom eigentlichen Regierungssitz, und nur wenige Bedienstete arbeiteten ständig hier. Nachdem er zweimal in einen Nebenflur abgebogen war, hatte der Junge plötzlich das Gefühl, mutterseelenallein zu sein. In diesem Moment schwoll die Stimme in ihm so laut an, dass er seinen Ranzen fallen ließ und sich die Ohren zuhielt.
    Leider half das überhaupt nichts. Nichts konnte den
Anderen
zum Schweigen bringen, diesen rätselhaften Geist, der sich in seinem eigenen ausbreitete und ihn mit Bildern von Hass, Gewalt und Angst betäubte. Cael presste sich die Hände an die Schläfen, so fest er konnte, kniff die Augen zusammen und biss die Zähne aufeinander. Doch der Schmerz überwältigte alles andere, und er konnte nur noch stumm dastehen und die Augenblicke verstreichen lassen. Es war, als herrschte in ihm ein dunkler, kalter Winter, der niemals enden würde.
    Irgendwann ließen die Qualen etwas nach, aber Cael wusste, dass er den Anfall noch nicht überstanden hatte. Die Stimme würde wiederkommen, noch lauter und drohender, bis er ihren mörderischen Befehlen folgen würde, um sie wenigstens ein paar Tage lang zum Schweigen zu bringen. Viel zu oft hatte sich das schon so abgespielt.
    Er kämpfte mit den Tränen, während er seine Sachen aufhob und den Gang entlang an den leer stehenden Zimmern vorbeirannte. Tante Corenn war seine letzte Hoffnung, der einzige Strohhalm, an den er sich noch klammern konnte. In ihm wütete ein Unwetter, das sogar seine eigenen Schritte übertönte. Er rannte und rannte, voller Angst, sich zu verlaufen, obwohl er den richtigen Weg eingeschlagen hatte. Endlich gelangte er zum alten Gerichtssaal, stieß die Tür auf, so heftig er konnte,

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