Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
Der schreckliche Verdacht wurde rasch zur Gewissheit, und er stürzte zitternd zu den Kleidern, die er am Ufer eingesammelt hatte. Es dauerte kaum einen Wimpernschlag, da hatte er gefunden, was er suchte. Sie hatten die Gegenstände einfach in die Taschen gesteckt.
Und das war ihnen zum Verhängnis geworden.
Bowbaq wurde so schwindlig, dass er sich setzen musste. Auf seinem riesigen Handteller lagen Ispens und Iulanes Anhänger, in die er vor dreiundzwanzig Jahren selbst das Zeichen des Vogelklans geritzt hatte. Sie waren aus den Steinen gefertigt, die er aus dem Jal’dara mitgebracht hatte, Steine mit großer magischer Kraft, die Corenn Gwelome genannt hatte und die sie vor Angriffen von Dämonen schützten.
Unwillkürlich griff Bowbaq nach der Kette, die er selbst um den Hals trug, doch er hatte seinen Stein seit dem Tag, an dem seine Freunde und er aus dem Jal zurückgekehrt waren, kein einziges Mal abgelegt. Dann wandte er sich Niss zu und zog sanft an ihrer Kette, bis aus ihrem Kragen ein ähnlicher Anhänger zum Vorschein kam. Die Entdeckung war ein Schock, aber wenigstens sah er jetzt klarer. Deswegen also waren Niss und er selbst von diesem rätselhaften Überfall verschont geblieben! Nur sie beide hatten ihre Anhänger getragen. Die anderen hingegen, die sich ausgezogen hatten, um im Fluss zu baden, waren einer unbekannten Magie zum Opfer gefallen.
Ein Außenstehender hätte ihn nach dieser Erklärung wohl für verrückt erklärt, aber Bowbaq wusste sehr wohl, dass magische Kräfte kein Hirngespinst waren. Seinen Freunden und ihm war von Anfang an klar gewesen, dass die Erben eines Tages wieder in Gefahr geraten würden. Sie hatten nur gehofft, dass dieses Unglück sehr viel später über sie hereinbrechen würde, vielleicht erst in einigen Generationen. Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihnen.
»Hör zu, Niss«, bat er und sah seiner Enkelin fest in die Augen. »Du darfst die Kette niemals ablegen.
Niemals,
verstehst du?«
Der Gesichtsausdruck des Mädchens blieb so leer wie immer. Ihr Blick schien auf irgendetwas gerichtet zu sein, das weit hinter dem Großvater lag.
»Naiok, das ist sehr wichtig. Du musst es mir versprechen. Tust du das?«
Ein kurzes Zwinkern war die einzige Antwort, die Bowbaq Niss entlockte. Nachdem er sich damit zufriedengegeben hatte, begann das schlechte Gewissen an ihm zu nagen.
Hätte ich Ispen und Iulane doch nur dasselbe eingeschärft
…
Hätte ich doch nur mehr Steine aus dem Jal’dara mitgebracht
… Dann hätte sich Prad auch nicht der Gefahr ausgesetzt, als er seinen Anhänger an Niss weitergab. Vielleicht wäre er dann auch von dem Angriff verschont geblieben.
Es gab zwar keinen Beweis für seine Vermutung, aber insgeheim war Bowbaq überzeugt, dass er Recht hatte. Magische Kräfte und der Fluch, der auf den Erben lastete – anders war das Verschwinden seiner Familie nicht zu erklären.
Den Rest des Abends verbrachte er damit, eine Reise vorzubereiten, von der er so schnell nicht wieder zurückkehren würde. Genau wie vor dreiundzwanzig Jahren.
***
Als es dämmerte, stand der Fremde immer noch auf seinem Posten auf der anderen Straßenseite. Insgeheim bewunderte Nolan seine Hartnäckigkeit. Der Mann hatte den ganzen Tag lang vor ihrem Haus ausgeharrt. Hin und wieder hatte er einige Schlucke aus seinem Trinkschlauch genommen, ein Stück Brot unter seinem Mantel hervorgeholt und sogar seine Blase an der Mauer entleert, aber er hatte sich nicht von der Stelle gerührt, kein einziges Mal. Ihre Hoffnung, er könnte vielleicht doch ein Dienstbote oder ein Bettler sein, hatte sich längst zerschlagen.
Den Geschwistern war der Tag in der leeren Villa geradezu endlos vorgekommen. Die ungewöhnliche Stille in den Wohnräumen und der Küche, Reys und Lanas unheimliches Verschwinden und Erynes immer schlechter werdende Laune hatten die Zeit quälend langsam verstreichen lassen.
Nolan liebte seine Schwester, vielleicht sogar mehr als alles andere auf der Welt, aber deswegen war er ihren Fehlern gegenüber nicht blind. Zum Beispiel war sie schrecklich ungeduldig. Bald war sie des Wartens überdrüssig geworden, und so kamen ihre schlechten Charaktereigenschaften beim geringsten Anlass zum Vorschein. Sie jammerte über die kalte Mahlzeit, die sie sich zusammengesucht hatten, beschwerte sich empört, als sie einige Kleider aus ihrem umfangreichen Reisegepäck aussortieren sollte, und klagte darüber, dass sie ohne Diener auskommen mussten. Zu allem Überfluss sah
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