Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
einen glühenden Verehrer gehörte, begleitete Roban von Sarcy jeden ihrer Sätze mit einem mitfühlenden oder verständnisvollen Nicken. Nolan konnte sich zwar einer gewissen Sympathie für den Grafen nicht erwehren, aber er zweifelte immer noch daran, dass er ihnen tatsächlich von Nutzen sein konnte. Dieser geschniegelte junge Mann sollte mit der berüchtigten Grauen Legion in Verbindung stehen?
»Bis diese Angelegenheit geklärt ist, könnt Ihr mein Schloss selbstverständlich als das Eure betrachten«, erklärte der Graf feierlich. »Ich werde Euch die schönsten Gemächer zur Verfügung stellen. Ihr dürft sicher sein, meine Teuerste, dass es Euch an nichts fehlen wird. Euer Wunsch ist mir Befehl.«
»Darauf komme ich gern zurück, mein lieber Graf«, flötete Eryne und strahlte ihn an.
»Ich würde vorschlagen, einige Männer zum Haus unseres Vaters zu schicken, um nachzusehen, ob der Unbekannte noch immer vor unserer Tür Wache hält«, mischte sich Nolan ein. »Vielleicht hat er seinen Posten ja mittlerweile aufgegeben.«
»Das werde ich noch heute Nacht veranlassen«, versicherte Roban. »Und außerdem werde ich meine … Dienststelle beauftragen, alles dafür zu tun, um den Herzog und die Herzogin zu finden. Ihr müsst mir aber versprechen, den Schutz meines Hauses nicht übereilt zu verlassen! Selbst wenn der Strolch, der sich vor Eurem Haus herumtreibt, das Weite gesucht hat, solltet Ihr auf keinen Fall vorschnell nach Hause zurückkehren.«
»Wir werden wachsam sein«, sagte Nolan. »Und ich kann Euch nur raten, ebenfalls größte Vorsicht walten zu lassen. Wir wissen nicht, welche Gefahr unsere Familie bedroht, und ich würde es mir nie verzeihen, wenn wir Euch zum Dank für Eure Gastfreundschaft in Schwierigkeiten bringen.«
Einen Augenblick lang sah ihn der Graf ernst an. Er hatte die Rolle des Schöntuers abgelegt und wirkte nun wesentlich besonnener und selbstsicherer.
»Um mich braucht Ihr Euch nicht zu sorgen«, sagte er mit einem vielsagenden Lächeln. »Wer mir etwas anhaben will, muss schon einiges aufbieten.«
»Habe ich es dir nicht gesagt?«, sagte Eryne. »Unter dem Dach des Grafen sind wir vollkommen sicher.«
Roban von Sarcy setzte nun wieder den verliebten Gesichtsausdruck auf, der ihn etwas einfältig aussehen ließ. Doch trotz seiner vollmundigen Versprechen konnte Nolan seiner Schwester nicht beipflichten. Gab es überhaupt irgendeinen Ort auf der Welt, an dem sie noch sicher waren?
Dem weiteren Gespräch lauschte er nur noch mit halbem Ohr. Während Eryne und ihr Verehrer die angebrochene Weinflasche leerten, von der Nolan kaum einen Tropfen angerührt hatte, unterhielten sie sich über die neuesten Verleumdungen, die in Adelskreisen verbreitet wurden und die sie beschönigend »höfischen Klatsch« nannten. In der Zwischenzeit bereiteten ihnen mehrere Zimmermädchen und Kammerzofen die Betten. Mit Erleichterung hörte Nolan seine Schwester schließlich sagen, dass sie müde sei, woraufhin sie der Haushofmeister zu ihren Zimmern führte.
Das glückliche Lächeln, mit dem Eryne ihr Schlafgemach betrat, stimmte Nolan missmutig. Aber wie konnte er seiner älteren Schwester eine Moralpredigt halten, wenn er sich selbst so vieles vorzuwerfen hatte?
Immerhin hielt der Graf von Sarcy sein Versprechen. Vom Fenster seines Zimmers aus sah Nolan einen Boten zu der mysteriösen »Dienststelle« der Grauen Legion aufbrechen. In dieser Nacht würden noch so einige Männer aus den Betten geholt werden.
Er fragte sich nur, ob sie ihnen tatsächlich helfen konnten oder ob ihr Eingreifen nicht alles nur noch schlimmer machen würde.
***
Die Sonne stieg langsam höher, schickte ihre Strahlen über die höchsten Gipfel des Rideau bis in die Heilige Stadt und das Große Kaiserreich und wanderte dann weiter nach Lorelien und das östliche Arkarien, bevor sie das Matriarchat erreichte. Als das sanfte Morgenlicht die kaulische Heide zum Leben erweckte, öffneten sich die Blüten der Sedasträucher, Zahnlilien und Katzenmäulchen hoben ihre Köpfe, und die schrillen Schreie der Waulen vermischten sich mit dem Geschnatter der Räuberamseln. Während die Natur den neuen Tag begrüßte, war Amanon schon längst auf den Beinen und bereit zum Aufbruch.
Seine Sorgen hatte er in der Nacht keineswegs vergessen, ganz im Gegenteil. Er konnte es kaum erwarten, in das Heimatdorf von Yan und Leti weiterzureiten und dort vielleicht etwas über seine Eltern oder überhaupt irgendjemanden aus seiner Familie
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