Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
Pferde, wie er es schon als kleines Kind von Leti gelernt hatte. Um die durstigen Tiere zu tränken, hatte er fast all ihre Trinkschläuche leeren müssen. Dann sammelte er Treibholz und kochte die Bohnen, die er in Amanons Satteltaschen gefunden hatte. Sein Cousin war so gefesselt von der Lektüre, dass er den Napf, der neben ihm stand, völlig vergaß und seine Portion kalt werden ließ.
Mittlerweile hatte sich die Nacht über das Matriarchat gesenkt, und eine blasse Mondsichel stand am Himmel. Cael lief am Strand auf und ab, in der Hoffnung, seinen Sorgen für eine Weile zu entfliehen. Es gelang ihm jedoch nicht, das Bild seiner Eltern aus seinem Kopf zu verscheuchen. Er konnte einfach nicht glauben, dass er sie nie mehr wiedersehen würde. Obwohl vieles dagegen sprach, war er überzeugt, dass sie noch lebten und irgendwo auf ihn warteten. Aber vielleicht war er auch nur zu aufgewühlt, um die Wahrheit zu akzeptieren?
Im Schlaf hatte die Stimme ihm Dinge zugeflüstert, die seine Eltern betrafen. Er erinnerte sich nur noch dunkel daran, wie an eine Art schmerzhaftes Pfeifen, und wagte nicht, tiefer in seinen Erinnerungen zu graben, aus Angst, einen weiteren Anfall auszulösen. Davon abgesehen entstammte die Stimme seinen eigenen Gedanken, oder etwa nicht? Alles, was sie behauptete, war ein Teil von ihm, von seinen Erfahrungen, Alpträumen und Sehnsüchten. Alles andere wäre einfach zu grauenvoll!
Außerdem machte sich Cael Sorgen wegen der kommenden Tage. Vor zwei Nächten hatte er noch gemütlich in seinem Bett im Schlafsaal des Großen Hauses gelegen. Gestern war er dann im Stall seiner Eltern neben der Leiche eines Freundes eingeschlafen, und heute würde er unter freiem Himmel übernachten, eingelullt vom fernen Rauschen der Wellen, das wie ein Seufzen klang. Wo würde er morgen sein? Wo übermorgen? Und wo in der nächsten Dekade?
Vielleicht würde er nach Lorelia reisen. Vor einigen Jahren hatten seine Eltern ein ernstes Gespräch mit ihm geführt und ihm einen seltsamen Rat gegeben: Wenn sie eines Tages voneinander getrennt werden sollten, würden sie sich auf dem Platz der Büßer in der lorelischen Hauptstadt wiedertreffen.
Jetzt, da ihm in Kaul und Eza die Valiponden auflauerten, fiel Cael dieser Rat wieder ein. Allerdings traute er sich die Reise allein nicht zu, auch wenn er nicht auf den Kopf gefallen war. Schließlich war er erst vierzehn Jahre alt und hatte das Matriarchat noch nie verlassen. Die zwanzig Mondköniginnen in seiner Tasche reichten kaum aus, um ein paar Vorräte zu kaufen, und das Rapier an seinem Gürtel machte ihn noch lange nicht zu einem unerschrockenen Kämpfer.
Vielleicht konnte er Amanon überreden, ihn nach Lorelia zu begleiten, obwohl er keine Ahnung hatte, was sein Cousin eigentlich vorhatte. Amanon schien der Lage ebenfalls nicht gewachsen zu sein und auf einen Wink des Schicksals oder dergleichen zu warten. Warum hatte er sich sonst so begierig auf das Testament seiner Mutter gestürzt?
Hauptsache Amanon zog nicht auf eigene Faust los und ließ ihn in der Obhut entfernter Verwandter zurück. Er wollte auf keinen Fall tatenlos herumsitzen und verzweifelt auf gute Nachrichten warten. Dazu war er zu sehr Sohn seiner Eltern, deren Tatendrang und Hartnäckigkeit ihm im Blut lagen. Er war zwar noch längst nicht erwachsen, aber auch kein Kind mehr. Also würde er sich an der Suche nach ihren Eltern beteiligen und gegen die Valiponden kämpfen. Beim Gedanken, dass Dalabert feige ermordet worden war, obwohl er nichts getan hatte, bedauerte Cael, dass es im Matriarchat keine Todesstrafe gab. Sollten die Täter gefunden und verurteilt werden, würden sie lediglich einige Jahre für das Gemeinwohl arbeiten müssen, und das schien ihm bei weitem keine ausreichende Strafe zu sein. Aber vielleicht gab er sich auch zu sehr seinem Kummer und seiner Rachsucht hin.
So hing er seinen Gedanken nach und schwankte zwischen Hoffnung und Mutlosigkeit, als plötzlich Amanon aus der Ferne nach ihm rief. Aus der Stimme seines Cousins klang blankes Entsetzen.
Cael sprang auf und rannte auf die Gestalt zu, die oben auf der Düne in der Dunkelheit stand und sich die Lunge aus dem Hals schrie. Amanon verstummte erst, als er Cael mit gezogenem Rapier auf sich zustürmen sah, bereit, ihren Feinden die Stirn zu bieten. Doch sie waren mutterseelenallein.
»Dein Anhänger, trägst du deinen Anhänger?«, fragte Amanon atemlos und streckte die Hand aus, um nachzusehen.
Der Junge wich unwillkürlich
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