Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
zurück und zog den Anhänger unter seinem Hemd hervor. Wieso regte sich sein Cousin wegen eines Schmuckstücks derart auf?
Amanon stieß einen erleichterten Seufzer aus, zog an der feingliedrigen Kette, die ihm selbst um den Hals hing, und begann hastig auf seinen Cousin einzureden.
»Siehst du, ich trage auch so einen«, sagte er. »Wir haben die Anhänger von unseren Eltern geerbt, aber es gibt noch mindestens sechs andere, die genauso aussehen, ganz genauso! Hör mir zu, Cael. Diese Anhänger sind viel mehr als Schmuckstücke, verstehst du? Wir dürfen sie nie ablegen, niemals! Unsere Eltern sind verschwunden, weil sie nicht mehr unter ihrem Schutz standen. Da bin ich mir ganz sicher.«
Cael erkannte Amanon kaum wieder. Er war nicht einfach nur aufgeregt, sondern wirkte geradezu fiebrig. Sein Blick zuckte hin und her, als könnte jeden Moment ein wildes Tier aus der Dunkelheit auftauchen und sich auf sie stürzen. Was hatte ihm solche Angst eingejagt? Doch wohl nicht Corenns Testament?
»Was redest du da?«, fragte Cael verwirrt. »Was für ein Schutz? Und was hat das alles mit den Anhängern zu tun?«
Sein Cousin brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen und spitzte die Ohren. Cael hatte nichts gehört, doch allmählich übertrug sich Amanons Anspannung auch auf ihn, und er griff wieder nach seinem Rapier. Da sprach Amanon weiter.
»Das kann ich dir jetzt nicht erklären. Erst muss ich das Tagebuch zu Ende lesen und über alles nachdenken. Aber du darfst deinen Anhänger nie ablegen, hörst du? Ganz egal, was passiert.«
Die eindringliche Warnung verfehlte ihre Wirkung nicht, und Cael senkte den Blick auf das Schmuckstück, das ihm um den Hals hing. Als er wieder hochsah, kehrte Amanon schon mit großen Schritten zum Lager zurück. Er konnte ihn doch nicht einfach so stehen lassen! Cael rannte ihm nach und holte ihn nach kurzer Zeit ein.
»Sag mir wenigstens, was wir morgen tun«, rief er. »Ich muss wissen, was wir vorhaben.«
»Morgen reiten wir nach Lorelia«, verkündete Amanon, ohne ihn anzusehen. »Meine Eltern haben mir einen Rat für den Notfall erteilt. Vermutlich haben deine dasselbe getan. Wir müssen die anderen finden und zwar so schnell wie möglich.«
Mit dieser Antwort musste sich Cael begnügen, denn kaum hatten sie das Lager erreicht, vertiefte sich Amanon wieder in das Tagebuch. Jede Frage wehrte er mit einer ungeduldigen Handbewegung ab. Schließlich wickelte sich Cael in seine Decke und legte sich hin, ohne die zusammengekauerte Gestalt seines Cousins aus den Augen zu lassen.
Das Testament seiner Großtante schien spannend und beklemmend zugleich zu sein, denn während er Amanon beobachtete, wechselte dessen Miene zwischen tiefer Konzentration und blanker Angst.
***
Bowbaq brauchte zwei Tage bis nach Cyr-la-Haute, die erste loreiische Stadt hinter der arkischen Grenze, und dann noch einen weiteren Tag bis zu den südlichen Ausläufern der Tarentellen, einer Bergkette, die die Oberen Königreiche vor der eisigen Witterung des hohen Nordens schützte. Ohne Niss wäre er schneller vorangekommen, aber so musste er Rücksicht nehmen und abschätzen, wann sie müde wurde: Das Mädchen beklagte sich nie und wäre vermutlich einfach irgendwann vor Erschöpfung vom Pferd gefallen. Seit ihre Familie verschwunden war, hatte Niss kein Wort gesprochen, und Bowbaq hatte sich schon lange nicht mehr so einsam gefühlt.
Selbst seinen Hund Galou vermisste er schmerzlich, doch es wäre unvernünftig gewesen, den Rouvier auf die beschwerliche Reise mitzunehmen. Deshalb hatte Bowbaq ihn zusammen mit seinen beiden Ponys und den vier Ziegen sechs Meilen bis zum nächsten Bauernhof gebracht und ihn der Obhut des Nachbarn überlassen. Nur die beiden rodischen Pferde hatte er behalten, zwei robuste Reittiere, die ihm Leti geschenkt hatte.
Nachdem sie zwei Nächte hintereinander in Jagdhütten übernachtet hatten, machten sie an diesem Abend in einer der zahlreichen Herbergen Halt, die die Straße nach Lorelia säumten. Eigentlich hatte Bowbaq eine Abneigung gegen bezahlte Unterkünfte, aber die arkischen Zeichen, die in das Herbergsschild geschnitzt waren, flößten ihm Vertrauen ein. Zu seiner Freude waren der Wirt und seine Frau Landsleute: Sie gehörten zum Anatorenklan, der mit dem Vogelklan verbündet war. Die drei Erwachsenen verbrachten einen Großteil des Abends damit, Erinnerungen an Arkarien auszutauschen, während sie einen Krug Milo leerten.
Niss verschlang zwei Schüsseln
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