Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
Neugier war offenbar ebenso groß wie Caels.
»Mano, du hast ein Testament erwähnt, das dir deine Mutter hinterlassen hat«, sagte er unvermittelt. »Willst du uns nicht davon erzählen?«
Amanon stützte die Ellbogen auf, nickte kurz und warf Keb einen raschen Blick zu. Der Krieger war der Einzige, der es nicht zu bemerken schien.
»Oh, nein!«, rief Eryne. »Soll das etwa heißen, dass Ihr ihm immer noch misstraut? Was spielt es schon für eine Rolle, ob Keb einen Anhänger hat oder nicht? Er gehört zu uns!«
»Was für einen Anhänger?«, fragte der Wallatte neugierig.
Eryne zeigte stumm auf das Schmuckstück auf ihrer Brust, während Nolan seine Kette unter dem Hemd hervorzog und sie dem Krieger hinhielt, ohne sie abzunehmen. Keb musterte die silberne Scheibe aufmerksam, ließ sie dann los und kramte in den Taschen seiner Wildlederhose.
Mit einem schiefen Grinsen legte er schließlich einen Stein mitten auf den Tisch. Die Ähnlichkeit mit Nolans und Erynes Anhänger war nicht zu übersehen.
»Es ist ein Glücksbringer«, erklärte er. »Ich trage ihn, seit ich denken kann, aber ich weiß nicht, woher er stammt. Außer meiner Mutter hat niemand so einen. Zumindest dachte ich das bisher. Woher habt ihr eure? Und wie habt ihr sie in diese Münze gesetzt bekommen?«
»Nimm ihn sofort wieder an dich«, sagte Amanon mit tonloser Stimme.
Alle Blicke richteten sich auf den Kaulaner, der kreidebleich geworden war. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
»Nimm den Stein!«, befahl er und drückte ihn dem Krieger in die Hand. »Chebree hat dir doch gewiss gesagt, dass du ihn niemals ablegen sollst, oder?«
Kurz flackerte Wut auf Kebs Gesicht auf, doch als sich Amanon wieder setzte, beruhigte er sich. Er betrachtete den schlichten Stein in seiner Handfläche und schob ihn dann wieder in die Hosentasche.
»Woher weißt du das?«, fragte er argwöhnisch. »Meine Mutter pflegt ihren Aberglauben zu verheimlichen. Niemand weiß davon!«
»Und sie tut gut daran«, antwortete Amanon, dem der Schreck noch immer anzusehen war. »Unsere Anhänger und dein Stein sind keine Talismane oder Familienerbstücke. Ich weiß, dass es sich verrückt anhört, aber sie haben eine besondere Kraft. Vermutlich verdanken wir ihnen unser Leben!«
»Was redest du da für einen Unsinn?«, knurrte Keb.
»Geht es hier etwa um
Magie.«,
setzte Eryne nach. »Das meint Ihr doch nicht ernst!«
Im ersten Moment fand Cael den Gedanken genauso absurd. Doch als ihm die Seiten mit den rätselhaften Symbolen in Corenns Tagebuch einfielen, kamen ihm Zweifel.
»Was für eine besondere Kraft?«, murmelte er.
Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Draußen war es mittlerweile stockfinster. Die
Rubikant
schwankte auf den Wellen, die Kerze flackerte und Schatten huschten über die Wände.
Genau der richtige Ort und die richtige Tageszeit, um sich über Zauberei zu unterhalten!,
dachte Cael mit einem mulmigen Gefühl.
»Nun redet schon!«, drängte Eryne.
»Die Anhänger machen uns nicht stärker oder klüger«, erklärte Amanon. »Sie heilen keine Wunden und kurieren keine Krankheiten. Sie haben nur einen einzigen Nutzen, der in unserem Fall aber von größter Bedeutung ist:
Sie machen uns für die Götter unsichtbar.«
»Pff«, schnaubte Keb. »So ein Schwachsinn!«
An Amanons flehendem Blick erkannte Cael, dass er überzeugt war, die Wahrheit zu sprechen. Er wusste nicht, welche der beiden Möglichkeiten beängstigender, war: dass sie magische Anhänger brauchten, um ihr Leben zu schützen, oder dass das Unglück der letzten Tage Amanon um den Verstand gebracht hatte.
»Was erzählt Ihr denn da?«, rief Eryne fassungslos. »Wo habt Ihr nur diese Hirngespinste her?«
»Aus dem Tagebuch meiner Mutter«, antwortete Amanon. »Darin schildert sie die Erlebnisse unserer Eltern im Jahr vor der Schlacht am Blumenberg. Und sie spricht von unseren Vorfahren, bis hin zu unseren Urururgroßeltern.«
»Amanon, verzeiht, aber was hat das mit den Anhängern zu tun?«, fragte sie. »Ich bezweifle nicht, dass Corenn viele Erinnerungen in ihrem Tagebuch festgehalten hat, aber könnt Ihr uns nicht einfach sagen, was Ihr wisst?«
Die anderen schienen das Gleiche zu denken, denn alle schwiegen gespannt, während Amanon reglos dasaß. Als er endlich das Wort ergriff, klang seine Stimme beinahe ehrfürchtig.
»Vor rund hundertvierzig Jahren besuchte ein geheimnisvoller Mann alle Länder und Königreiche der bekannten Welt. Er bat die Herrscher, einen
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